Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

1878 
Zar ließ in Berlin sagen, Deutschland möge nicht nur im Hinblick 
auf die alte treue Freundschaft, sondern mehr noch wegen seiner 
eigensten Interessen sich ganz und offen auf die Seite der russischen, 
so gemäßigten Forderungen stellen und ihre Annahme in Wien 
nachdrücklich befürworten 1 . 
Die innere Gegensätzlichkeit der österreichischen und russischen 
Forderungen lag klar zutage. Schon jetzt war zu erkennen, wie be 
rechtigt Bismarcks Abneigung gegen einen Kongreß unter seinem 
Vorsitze gewesen war. 
Der vermittelnden Tätigkeit des Grafen Peter Schuwalow ge 
lang es im Mai 1878, die Einberufung der Konferenz für Juni nach 
Berlin zu erreichen. Die Einladungsformel sollte so gehalten sein, 
daß eine Erörterung sämtlicher Bestimmungen des Vertrages von 
San Stefano dem Kongreß Vorbehalten wurde 1 2 . Am 3. Juni, einen 
Tag nach dem Attentate Nobilings auf Kaiser Wilhelm I., erfolgten 
die Einladungen. Der Kongreß selbst tagte vom 13. Juni bis zum 
13. Juli in der deutschen Reichshauptstadt. Bismarck entfaltete 
hierbei eine geradezu bewundernswürdige Tätigkeit, und immer 
gelang es ihm, Gegensätze, häufig in Besprechungen unter vier 
Augen, auszugleichen und so die praktischen Arbeiten als ein 
„ehrlicher Makler“ zu fördern. 
Die Hauptergebnisse des Berliner Kongresses, an dessen äußer 
lichen Verlauf uns das im Berliner Rathause befindliche große 
Gemälde von Anton v. Werner so lebendig erinnert, waren im 
großen und ganzen folgende: das Fürstentum Bulgarien wurde 
gegenüber den Bestimmungen von San Stefano auf das Land 
zwischen Donau und Balkan einschließlich Sofia verkleinert. Der 
südliche Teil Bulgariens blieb als Provinz Ostrumelien unter der 
Botmäßigkeit des Sultans, erhielt aber eigene Verwaltung unter 
einem christlichen Generalgouverneur. Auch das autonome Bul 
garien blieb der Türkei tributpflichtig und ihrer Souveränität unter 
stellt. Die Dobrudscha fiel an das siegreiche Rumänien, das ebenso 
wie Montenegro und Serbien unabhängig wurde. Die russischen 
Truppen sollten Ostrumelien und Bulgarien innerhalb von neun 
Monaten räumen, während in San Stefano zwei Jahre dafür ver 
einbart worden waren. Ferner sollte gemäß den Abmachungen von 
Reichstadt und den Protokollen vom 15. Januar 1877 3 Bosnien 
und die Herzegowina von Österreich-Ungarn besetzt und verwaltet 
werden. Der Sandschak Nowibazar — zwischen Serbien und Mon 
tenegro — verblieb der Türkei; Österreich-Ungarn erhielt aber 
Militär- und Handelsstraßen durch dieses Gebiet. Rußland gewann 
1 Aufzeichnung des Staatssekretärs v. Bülow vom 6. Mai 1878; Gr. Pol. Nr. 404, 
Anlage 1. 
2 Gr. Pol. Nr. 407—409. 
8 Siehe o. S. 40. 
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