Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung’. 1902—1914 
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Komplikation erst mit seinem Kanzler beraten. Dieser werde zweifel 
los auch einer Aktion gegen Serbien zustimmen. Sollte Rußland Ser 
bien beispringen und es zu einem Kriege mit Österreich kommen 
lassen, so würde Deutschland den Bündnisfall als gegeben betrachten 
und treu an die Seite Österreich-Ungarns treten. Mit dieser Auffas 
sung erklärte sich Bethmann Hollweg, als er um 6 Uhr abends beim 
Kaiser im Neuen Palais in Potsdam eintraf, durchaus einverstanden. 
Am 6. Juli trat der Kaiser seine Nordlandreise an. Am gleichen 
Tage nachmittags 3 Uhr fand im Reichskanzlerpalais zu Berlin eine 
Besprechung Bethmann Hollwegs mit dem Grafen Szögyenyi statt; 
zugegen waren Unterstaatssekretär Zimmermann und Graf Hoyos. 
„Die Bereinigung des Verhältnisses zu Serbien erklärte der Kanzler 
allein der Wiener Regierung überlassen zu müssen, jedoch dürfe 
diese im Ernstfälle auf die deutsche Bundeshilfe rechnen. Er wies 
darauf hin, daß der Augenblick zum Einschreiten gegen Serbien 
günstig sei, und empfahl schnelles Handeln. Mit dem bereits zwi 
schen Graf Hoyos und Zimmermann behandelten Vorschläge, Italien 
und Rumänien vorher nicht von der eventuellen Aktion gegen Ser 
bien zu verständigen, erklärte Bethmann Hollweg sich einverstanden. 
Damit waren die Berliner Verhandlungen abgeschlossen. Graf Hoyos 
konnte alsbald nach Wien zurückreisen 1 .“ 
So hatte denn die Wiener Regierung freie Hand für diejenigen 
Schritte, die sie Serbien gegenüber für nötig hielt. Die spätere Ent 
wicklung hat gezeigt, daß man in Wien nur allzu geneigt war, jetzt 
— gestützt auf Deutschland — selbständig zu handeln, ohne bei den 
wichtigen weiteren Schritten Deutschland hinreichend einzuweihen. 
Wiederholt ließ daher der Staatssekretär v. Jagow in Wien erklären, 
daß er wissen müsse, was beabsichtigt sei. Er empfahl, das gegen 
Serbien vorliegende Anklagematerial zusammenzustellen und kurz 
vor dem gegen Serbien beabsichtigten Schritte zu veröffentlichen 1 2 . 
Auch drängte Jagow immer darauf, daß sich Österreich-Ungarn 
wegen der serbischen Aktion mit Italien verständigen und Kompen 
sationen in Aussicht stellen solle 3 , da man in Italien nicht geneigt 
war, Österreich-Ungarn einen Gebietserwerb in Serbien zuzugeste 
hen. Am 16. Juni beklagte sich Jagow über die Verzögerung der 
Wiener Schritte gegen Serbien und tags darauf über die ganz un 
genügende Unterrichtung Deutschlands; er wolle wissen, wohin 
etwa der Weg führen solle 4 . Diese Bitte wiederholte er dringend am 
20.Juli 5 , an demselben Tage, an dem Poincare in Kronstadt vom 
1 Dr. Kurt Jagow: „Der Potsdamer Kronrat.“ Süddeutsche Monatshefte 1928, 
S. 787/8. 
2 Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch. Nr. 31. (11. Juli 1914.) 
3 Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch. Nr. 46. (15. Juli 1914.) 
* Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch. Nr. 61. 
5 Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch. Nr. 83.
	        
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