Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Von Sarajevo zum Weltkriege 
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Am 5. Juli überreichte der Botschafter Graf Szögyenyi dem 
deutschen Kaiser ein Handschreiben des Kaisers Franz Joseph und 
eine Denkschrift über die Lage. Die Denkschrift war in ihren Grund 
zügen schon vor dem Morde von Sarajevo fertiggestellt worden; 
sie trat für eine Heranziehung Bulgariens an Stelle Rumäniens an 
den Dreibund ein und forderte eine Klärung der Beziehungen zu 
Serbien. Der schon am 24. Juni abgeschlossenen Denkschrift hatte 
man nach dem Morde von Sarajevo noch einige Sätze hinzugefügt und 
auf die Unüberbrückbarkeit des Gegensatzes zu Serbien sowie die 
Gefährlichkeit der vor nichts zurückschreckenden großserbischen 
Bestrebungen hingewiesen. „Österreich-Ungarn hat es an gutem 
Willen und Entgegenkommen nicht fehlen lassen, um ein erträgliches 
Verhältnis zu Serbien herbeizuführen. Es hat sich aber neuerlich ge 
zeigt, daß diese Bemühungen ganz vergeblich waren und daß die 
Monarchie auch in Zukunft mit der hartnäckigen, unversöhnlichen 
und aggressiven Feindschaft Serbiens zu rechnen haben wird. Um 
so gebieterischer tritt an die Monarchie die Notwendigkeit heran, 
mit entschlossener Hand die Fäden zu zerreißen, die ihre Gegner zu 
einem Netze über ihrem Haupt verdichten wollen.“ In dem Hand 
schreiben des Kaisers Franz Joseph hieß es, das Bestreben der öster 
reich-ungarischen Regierung müsse in Zukunft auf die Isolierung 
und Verkleinerung Serbiens gerichtet sein; Bulgarien müsse man 
stärken, damit es vor der Rückkehr zur Russophilie bewahrt bleibe. 
„Dieses wird aber nur dann möglich sein, wenn Serbien, welches 
gegenwärtig den Angelpunkt der panslawistischen Politik bildet, als 
politischer Machtfaktor am Balkan ausgeschaltet wird.“ 
Die Legende vom Potsdamer Kronrat ist kürzlich von Dr. Kurt 
Jagow gründlich und aktenmäßig wiederlegt worden 1 . Der Kaiser, 
der auf Rat des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg seine Nord 
landfahrt ruhig antreten sollte, um nicht durch das Aufschieben 
dieser längst angekündigten Reise Beunruhigung zu schaffen, emp 
fing am 5. und 6. Juli zu verschiedenen Zeiten den Reichskanzler, 
den Kriegsminister v. Falkenhayn, den General v. Bertrab als Ver 
treter des beurlaubten Generalstabschefs v. Moltke, den Admiral 
v. Capelle als Vertreter des Reichsmarineamts, sowie den Kapitän 
zur See Zenker als Vertreter des Admiralstabes und teilte ihnen mit, 
daß Österreich-Ungarn Serbien zur Rechenschaft ziehen wolle. 
Größere kriegerische Verwicklungen seien unwahrscheinlich. Mili 
tärische Vorbereitungen wurden daher nicht getroffen. 
Für die weitere Entwicklung der Dinge war die Unterredung 
am 5. Juli mit dem Grafen Szögyenyi entscheidend. Ihm sagte der 
Kaiser, er habe eine ernste Aktion Österreichs Serbien gegenüber er 
wartet, müsse sich aber angesichts der Gefahr einer europäischen 1 
1 Heft 11 der Süddeutschen Monatshefte. München, August 1928.
	        
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