Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
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war. Bei entsprechendem Entgegenkommen des Petersburger Kabi 
netts wollte er dann auch über die Frage der Öffnung der Meerengen 
für russische Kriegsschiffe mit sich reden lassen. Hauptsächlich aber 
wollte er die serbische Gefahr beseitigen und dachte zweifellos zeit 
weise sogar an eine Aufteilung des Königreichs zwischen Öster 
reich-Ungarn und Bulgarien 1 . 
Als Auftakt des geplanten Vorgehens fanden im September 1908 
verschiedene wichtige Begegnungen der europäischen Staatsmänner 
statt, in deren Mittelpunkt Aehrenthal und Iswolski standen. Am 
4. September trafen sich in Salzburg Aehrenthal und Tittoni, am 
5. in Berchtesgaden Aehrenthal und der Staatssekretär v. Schoen. 
Eine grundlegende Besprechung zwischen Iswolski und Aehrenthal 
fand am 16. September in Buchlau auf dem Mährischen Schlosse des 
Grafen Berchtold und am 29. und 30. September ein Zusammen 
treffen Iswolskis mit Tittoni in Desio statt. 
Die Begegnung von Buchlau hätte eine Wiederbelebung der 
russisch-österreichischen Entente bilden und den durch den Plan 
einer Sandschakbahn entstandenen Gegensatz zwischen Aehrenthal 
und Iswolski wieder beseitigen können. Ihr kam daher eine erheb 
liche Bedeutung zu, zumal da Aehrenthal sich, eigenwillig und selbst 
bewußt, wie er war, lange gegen ein Zusammentreffen mit seinem 
russischen Kollegen gesträubt hatte 1 2 . Den Fürsten Bülow verstän 
digte Aehrenthal am 26. September über das Ergebnis der Bespre 
chungen. Danach hatte sich Iswolski mit Aehrenthals Plan einer An 
nexion der beiden Provinzen grundsätzlich einverstanden erklärt und 
eine freundschaftliche Haltung Rußlands zugesichert. Aehrenthal 
hatte seinem russischen Kollegen eine freundschaftliche Haltung in 
der Frage der Meerengen versprochen, die unter der Herrschaft 
der Türkei bleiben sollten, nur das Rußland das Recht erhielte, 
Kriegsschiffe einzeln die Meerengen passieren zu lassen 3 . 
In seinem nach Norderney gerichteten Briefe an den Reichs 
kanzler Fürsten Bülow vom 26.September 4 1908 teilte Aehrenthal 
schließlich noch mit, daß Iswolski sich über die deutsch-englischen 
Beziehungen sehr besorgt ausgesprochen und daß er sich bei seinem 
Zusammentreffen mit Tittoni in Salzburg am 4. September auch über 
die Frage der Annexion, allerdings mehr akademisch, ausgesprochen 
habe. Kaiser Franz Joseph werde vor ihrer Durchführung an Kaiser 
Wilhelm II. schreiben und ihm seine Beweggründe auseinander 
setzen. „Wir rechnen mit vollem Vertrauen auf Deutschlands Unter 
stützung, wie auch letzteres von uns Beweise erhalten hat, daß wir 
in ernster Stunde fest zu unseren Freunden stehen.“ Hiermit war 
1 Or. Pol. Nr. 8927. 
2 Or. Pol. Nr. 8926, 8929. 
3 Gr. Pol. Nr. 8934. 
4 Qr. Pol. Nr. 8934.
	        
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