Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

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Deutschlands Lage Ende 1907 
sehen Verschwörungen gegen den Weltfrieden durchaus nicht ge 
sprochen werden kann, daß Deutschland vielmehr der Entwicklung 
der Dinge mit größter Besorgnis zugesehen hat, ohne daran etwas 
Entscheidendes ändern zu können. Bei zunehmender Schwächung des 
Dreibundes erwiesen sich Deutschlands Versuche zu einem näheren 
Anschlüsse an Rußland als ebenso aussichtslos wie an die Ver 
einigten Staaten von Nordamerika. 
Für die Vertretung des deutschen Standpunktes ist es von 
hohem Werte, die Berichte der belgischen Vorkriegsdiplomaten hier 
zu zu Worte kommen zu lassen. Schon der deutsche Kronprinz hat 
in seinem Buche „Ich suche die Wahrheit 1 !“ nachdrücklich darauf 
hingewiesen, eine wie gewaltige Bedeutung diesen Berichten zu 
kommt. Sie gehören unbedingt in die Kampffront des Weltkrieges 
der Dokumente, „denn sie begleiten alle diese Vorgänge ganz un 
parteiisch mit ihren Erklärungen wie der Chor in der Tragödie“. 
Nur einige kurze Hinweise mögen zeigen, wie die belgischen 
Diplomaten die politischen Ereignisse des Jahres 1907 beurteilt 
haben. 
„Wird es Eduard VII. gelingen,“ berichtete der belgische Ge 
sandte Leghait am 6. Februar 1907 nach Brüssel 1 2 , „alle zu über 
zeugen, daß der von ihm mit soviel Nachdruck bei der Werbung 
um die Freundschaft eines starken Frankreichs verfolgte Zweck 
völlig uneigennützig ist und nichts weiter im Auge hat, als die 
Schaffung eines zur Aufrechterhaltung des Friedens fähigen euro 
päischen Gleichgewichtes?“ Am 9. Februar, als die englischen Ma 
jestäten Paris wieder verlassen hatten, berichtete er: „Man wird 
sich nicht verhehlen dürfen, daß diese Taktik, die äußerlich den 
Zweck verfolgt, den Krieg zu vermeiden, leicht in Berlin ein be 
trächtliches Unbehagen hervorrufen und den Wunsch erzeugen 
kann, alles zu versuchen, um aus der Umklammerung wieder heraus 
zukommen, mit der die englische Politik Deutschland einengt.“ 
Strebte Deutschland nach der Weltherrschaft? Baron Greindl, der 
belgische Gesandte in Berlin, war im Gegenteil der Meinung, daß 
Frankreich sich ebenso wie vor 1870 in alles einmische: „Jedesmal, 
wenn Frankreich sich im Laufe der Geschichte stark genug dazu 
fühlte, hat es den Versuch gemacht, sich die Vorherrschaft über die 
ganze Welt anzumaßen. Jetzt gibt ihm die Entente cordiale mit 
England den Mut dazu 3 .“ Und am 18.April berichtete er 4 : „Wie 
der Bündnisvertrag mit Japan, die Entente cordiale mit Frankreich, 
die mit Rußland schwebenden Verhandlungen, so ist der Besuch 
1 J. G. Cotta, Stuttgart/Berlin 1925. S. 312 u. 315. 
2 Belgische Dokumente. Neue Auflage. Bd. 3, S. 178 ff. 
3 Belgische Aktenstücke Nr. 27. 
4 Belgische Aktenstücke Nr. 29.
	        
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