Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
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nicht zustande kommen zu lassen. „Wohl spähte man gelegentlich 
nach anderen Bundesgenossen aus,“ so kennzeichnet Erich Branden 
burg die Lage gegen Ende des Jahres 1907 *, „aber wo waren sie 
zu finden? Japan stand in nahen Beziehungen zur Entente. Die Er 
neuerung des alten Dreikaiserbündnisses mit Rußland war unter den 
neuen Verhältnissen kaum denkbar, wenn auch Aehrenthal noch 
immer mit diesem Gedanken kokettierte. Der Kaiser sprach ge 
legentlich von einer .Rückversicherung mit Theodore Roosevelt 1 2 ', 
aber an eine Bindung der Vereinigten Staaten zur Mitwirkung in 
europäischen, vorderasiatischen oder afrikanischen Streitigkeiten war 
doch im Grunde nie ernstlich zu denken. Man konnte nur versuchen, 
wie Graf Monts empfahl, ein allgemeines freundschaftliches Verhält 
nis zu Amerika und womöglich auch weiterhin zu Rußland zu er 
streben. Der Erfolg war unsicher; Deutschland und Österreich stan 
den einsam inmitten von feindlichen oder wenig freundlich ge 
sinnten Mächten.“ 
Wie haben die französischen Senatsgutachter Bourgeois und 
Pages Deutschlands Lage 1907 beurteilt? Wörtlich heißt es hier 
über in dem von Bourgeois bearbeiteten Teile des Gutachtens 3 : 
„Wenn Deutschland sich, wie aus seinen fortgesetzten Klagen her 
vorging, durch die Bande, die in der ganzen Welt im Anschluß an 
das russisch-französische Bündnis und die Entente cordiale ge 
knüpft worden waren, bedroht sah, hätte es da nicht in der Friedens 
konferenz das geeignete Werkzeug zu seiner Verteidigung gefun 
den? Es zog diesem Fetzen Papier seinen Degen vor und machte ihn 
scharf. Mit seinem ,glänzenden Sekundanten', Österreich-Ungarn, 
und dem minder glänzenden Dritten im Bunde, der Türkei, setzte 
es seine Rüstungen fort. Ständig seine guten Absichten beteuernd, 
behielt es sich die Stunde vor, wo die vom Friedenswillen der Völker 
und ihren Herrschern gefesselte Kraft der Mittelmächte sich von 
diesem Zwange losmachen würde, um einen Plan politischer und 
wirtschaftlicher Größe zu verwirklichen, den Europa nicht annehmen 
konnte, ohne in Knechtschaft zu geraten.“ Weiter behauptet Bour 
geois, die deutschen Geschichtsschreiber hätten planmäßig und in 
vollem Umfange die Verschwörungen vernachlässigt, die der Kaiser 
und seine Ratgeber in den Jahren von 1904 bis 1908 „in der Verfol 
gung politischer und wirtschaftlicher Interessen, die nur durch den 
Krieg verwirklicht werden konnten,“ gegen den Weltfrieden an 
gezettelt hätten. Bourgeois hat diese Beschuldigung erhoben, als die 
Akten des deutschen Auswärtigen Amtes noch nicht veröffentlicht 
waren. Ihre objektive Prüfung ergibt, daß von planmäßigen deut- 
1 Von Bismarck zum Weltkriege. 2. Auflage. S. 235. 
2 17. Januar 1907. Or. Pol. Nr. 7203. 
3 Die Ursachen und die Verantwortlichkeiten des Großen Krieges. Deutsche 
Ausgabe, S. 321/322.
	        
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