Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Die Konferenz von Algeciras 
16* 
243 
sache selbst in der Hand behielt, erkannte die Gefahr eines Ver- 
steifens auf einzelne Sonderpunkte und zeigte Entgegenkommen. 
In den Darlegungen der Professoren Bourgeois und Pages 1 
erscheint, besonders auch bei der Schilderung der deutschen Ma 
rokkopolitik, immer der deutsche Kaiser persönlich als verant 
wortlicher Träger des Gesamtgeschehens. Wie unberechtigt dieses 
Urteil ist, das allerdings abgegeben wurde, ehe die große Akten 
veröffentlichung des deutschen Auswärtigen Amtes das Licht der 
Welt erblickt hatte, ergibt sich aus zahlreichen Randbemerkungen 
des Monarchen, mit besonderer Deutlichkeit aber aus solchen, die 
der Kaiser zu einem Berichte des deutschen Botschafters in Rom, 
Grafen Monts, vom 3. März 1906 gemacht hat 1 2 . Graf Monts be 
richtete auf Grund einer Besprechung mit dem italienischen Bot 
schafter Pansa, mit dem er in Rom zusammengetroffen war, die 
englisch-französische Entente vom 8. April 1904 sei nicht als etwas 
Vorübergehendes anzusehen; die Engländer wenigstens hätten sie 
in der Absicht abgeschlossen, daß sie mindestens für ein Menschen 
alter ihre Nachwirkung äußern sollte. Kaiser Wilhelm II. bemerkte 
hierzu: „Also für meine Generation ist eine Beziehung zu Gallien 
nicht mehr zu erhoffen,“ und an den Schluß des Berichtes setzte er 
die Worte: „England ist mit Frankreich von der deutschen Presse 
,zusammen geschimpft' worden, und nun sind sie zusammen und 
Gallien unter englischem Einfluß; das ist uns für das erste verloren. 
Italien hält sich dazu — Krimkrieg-Koalition — und wir haben das 
Nachsehen!“ 
Für den deutschen Kaiser, der eine Aussöhnung Frankreichs 
mit Deutschland als sein Lebensziel betrachtete, war diese Erfah 
rung um so bitterer, als auch sein Wunsch der Annäherung an Ruß 
land nicht in Erfüllung ging. Auf Amerika war gleichfalls nicht zu 
rechnen. Man verstand auch dort nicht recht, was Deutschland in 
Marokko eigentlich vorhatte. Bülow erkannte die darin liegende Ge 
fahr und telegraphierte am 19. März an den deutschen Botschafter 
Frhr. Speck v. Sternburg nach Washington, der Kaiser habe nie an 
einen Krieg wegen Marokkos gedacht, und Deutschland wolle 
nichts anderes als die wirtschaftliche Gleichberechtigung in Ma 
rokko; die Erhaltung des bisherigen Vertrauens zwischen Berlin 
und Washington und die unverzügliche Beseitigung aller Mißver 
ständnisse erscheine ihm wichtiger als die ganze Marokkoangele 
genheit. Damit sprach der Reichskanzler über die deutsche Ma 
rokkopolitik bis zu diesem Zeitpunkte ein geradezu vernichtendes Ur 
teil aus 3 . 
1 Siehe o. S. 17/18. 
2 Qr. Pol. Nr. 7064. 
3 Qr. Pol. Nr. 7118.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.