Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Die Anklage von Versailles 
Im Artikel 231 des Friedensvertrages vom 28. Juni 1919 heißt es: 
„Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und 
Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbün 
deten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwort 
lich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und 
ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff 
Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krie 
ges erlitten haben.“ 
Dieser Artikel steht an der Spitze der Bestimmungen des Friedens 
vertrages, die sich mit den „Wiedergutmachungen“ (reparations) be 
schäftigen. Es ist müßig, darüber zu streiten, ob der so oft zitierte 
Artikel 231 eine Belastung Deutschlands und seiner Verbündeten 
bedeute oder nicht. Deutschland soll als Urheber für alle Ver 
luste und Schäden des Weltkrieges haften und wird beschuldigt, den 
alliierten und assoziierten Regierungen den Krieg durch seinen An 
griff und den Angriff seiner Verbündeten aufgezwungen zu haben. 
Selbst wenn man nicht zugeben will, daß in dieser Formulierung eine 
moralische Belastung enthalten sei, so bleibt doch der Vorwurf be 
stehen, die Verluste und Schäden des Weltkrieges hervorgerufen 
(pour les avoir causes) und der Gegenseite den Krieg aufgezwungen 
zu haben. Wir Deutschen müssen uns daher mit dem Artikel 231 auf 
das Ernsteste auseinandersetzen. 
Ist, so fragen wir zunächst, seitens unserer deutschen Vertreter, 
seitens der deutschen Friedensdelegation in Versailles, alles ge 
schehen, was möglich war, um von der Formulierung des Artikels 
231 freizukommen? Hierüber sind im deutschen Volke noch heute 
schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten vorhanden, die im In 
teresse einer möglichst geschlossenen deutschen Einmütigkeit in der 
Schuldfrage unbedingt abgebaut werden müssen. Wir bedürfen dazu 
einer genauen Kenntnis des Verhaltens unserer Friedensdelegation in 
den schweren Verhandlungswochen vor Abschluß des Friedens 
vertrages. Wir müssen den Leidensweg unserer Friedensunterhändler 
und die Fülle der Demütigungen kennen lernen, die sie über sich 
haben ergehen lassen müssen, ehe es zu jenem Abschlüsse kam, den 
niemand einen Friedens vertrag nennen dürfte. 
1 Sckwertfeger, Der Weltkrieg der Dokumente 
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