Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

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Das Jahr 1900 
denn der Krieg trotz aller Erfolge, die seit Januar 1900 Lord Roberts 
erntete, noch weitere Jahre hin. Für Deutschland blieb nichts anderes 
übrig, als den Dingen ihren Lauf zu lassen. Dies war jedenfalls die 
Auffassung Kaiser Wilhelms II., wenn er auch im Februar 1900 
einige „Aphorismen über den Krieg in Transvaal“ dem englischen 
Thronfolger hatte zukommen lassen 1 . Erst am 31. März 1902 be 
endete der Frieden von Pretoria den Burenkrieg. 
Die herbste Enttäuschung für alle diejenigen, die in der ersten 
Haager Konferenz einen Fortschritt auf dem Wege zum ewigen Frie 
den erblickt hatten, bildeten der Boxeraufstand in China und 
das sich daraus ergebende Vorgehen der europäischen Mächte. 
End Mai 1900 erfuhr man in Berlin, daß aufrührerische Boxer bis in 
unmittelbare Nähe von Peking vorgedrungen seien, und daß Gefahr 
für die Mitglieder der Gesandtschaften und die in Peking befind 
lichen Staatsangehörigen der fremden Mächte bestehe. Die chinesi 
sche Regierung, so berichtete der Gesandte Frhr. v. Ketteier, sei 
zum energischen Eingreifen der Truppen unwillig und unfähig 1 2 . 
Die Gesandten von England, Frankreich, Rußland, Italien, Japan, 
Österreich und Amerika hatten schon Marinesoldaten zum Schutze 
der Gesandtschaften und der in Peking weilenden Fremden nach 
dort beordert. Ketteier empfahl dringend die Entsendung von fünfzig 
Mann aus Tsingtau. Der Kaiser war einverstanden, und am 3. Juni 
traf ein deutsches Detachement gemeinsam mit einer österreichischen 
Abteilung in Peking ein. Damit wurde die Beteiligung Deutschlands 
an der Beseitigung der chinesischen Wirren eingeleitet, die in ihrem 
weiteren Verlaufe für die deutsche Politik zum erstenmal die Mög 
lichkeit schuf, durch Stellung des Oberbefehlshabers einer internatio 
nalen Truppenabteilung im fernen Ostasien weltpolitisch an vor 
derster Stelle zu stehen. Nachdem der deutsche Gesandte Frhr. 
v. Ketteier in Peking am 20. Juni 1900 ermordet worden war, durfte 
damit gerechnet werden, daß die anderen Mächte Deutschland den 
Vortritt überlassen würden. Die Dinge haben sich damals so abge 
spielt, daß die deutsche Regierung zunächst in London sondieren 
ließ und zu verstehen gab, Deutschland werde den Oberbefehl über 
nehmen, falls England einen dahingehenden Antrag stelle 3 . Darauf 
hin wendete sich Kaiser Wilhelm II. am 5. August in einem persön 
lichen Telegramme an den Zaren 4 und fragte ihn, ob es sein be 
sonderer Wunsch sei, daß ein russischer General den Oberbefehl 
übernehmen solle. Falls der Zar wünsche, daß ein deutscher Ge 
neral gewählt würde, so stelle er für diesen Fall den Feldmarschall 
1 Gr. Pol. Nr. 4507—4510. 
2 Gr. Pol. Nr. 4511. 
3 Gr. Pol. Nr. 4584. 
4 Gr. Pol. Nr. 4601.
	        
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