Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Das Jahr 1898 
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frage, wie seine Haltung im Falle eines Zusammenstoßes zwischen 
England und Frankreich sein würde 1 . Der Zar hatte erst vor zwei 
Monaten, am 24. August, den Mächten den Zusammentritt einer all 
gemeinen Abrüstungskonferenz vorschlagen lassen. Man hatte da 
mals in Berlin damit gerechnet, daß Graf Murawiew, von Frank 
reich gedrängt, um ein Scheitern des Konferenzgedankens an fran 
zösischer Ablehnung zu verhindern, sich Deutschland als ehrlicher 
Makler anbieten würde, um eine Annäherung zwischen Deutschland 
und Frankreich zu versuchen. Hierauf einzugehen, war man in Berlin 
nicht geneigt 1 2 gewesen. In Rußland bemühte man sich nun ernstlich 
um die Beilegung des Faschodakonfliktes, und Graf Murawiew 
weilte zu diesem Zwecke im Oktober 1898 längere Zeit in Paris. 
Auf die Anfrage Kaiser Wilhelms vom 28. Oktober erwiderte 
der Zar am 3. November telegraphisch nach Jerusalem 3 , er wisse 
nichts von einem bevorstehenden Konflikte zwischen Frankreich 
und England; Graf Murawiew, der gerade von Paris zurückgekehrt 
sei, glaube nicht, daß der Faschodazwischenfall zu einem ernsten 
Mißverständnisse führen würde. Der Zar wollte offenbar in die 
Sache nicht hineingezogen werden, zumal Delcasse betont hatte, 
die Faschodafrage gehe doch Frankreich und England und keine 
dritte Macht an 4 . In Frankreich entschloß man sich anfangs No 
vember zur Zurückberufung Marchands. Trotzdem wurden die 
Kriegsvorbereitungen in England eifrig fortgeführt, obwohl Rußland 
in London dauernd für eine freundlichere Gestaltung der Bezie 
hungen zu Frankreich zu wirken versuchte, bis schließlich im Früh 
jahr 1899 eine wirkliche Entspannung eintrat. Deutschlands freund 
liche Haltung England gegenüber hatte mit dazu beigetragen, 
Frankreich zur Nachgiebigkeit zu bestimmen 5 . 
Auch der Nahe Orient hat 1898 die große Politik der europäi 
schen Kabinette verschiedentlich beschäftigt. Durch den Abschluß 
des griechisch-türkischen Krieges im September 1897 hatten weder 
die griechische noch die kretensische Frage ihre endgültige Lösung 
gefunden. Schon im Dezember 1897 entstanden auf Kreta neue Un 
ruhen. Die Großmächte erwogen die Ernennung des Prinzen Georg 
von Griechenland zum Gouverneur, vermochten sich aber darüber 
nicht zu einigen, so daß die kretensische Frage, wie es der deutsche 
Botschafter in Konstantinopel, Frhr. v. Marschall, am 26. Februar 
1898 ausdrückte, „in ein Stadium vollkommener Versumpfung“ ge 
riet 6 . Aufstände der Mohamedaner gegen die englische Besatzung 
1 28. Oktober 1898. Gr. Pol. Nr. 3900. 
2 Gr. Pol. Nr. 3526. 
3 Gr. Pol. Nr. 3905. 
4 Gr. Pol. Nr. 3897. 
6 Gr. Pol. Nr. 3945. 
6 Gr. Pol. Nr. 3287. 
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