Volltext: Kriegerische Demokratien in Vergangenheit und Gegenwart [97]

Wilson im Lerbst 1916 wiedergewählt wurde, bezeichnete man 
das in Deutschland vielfach als einen Sieg der deutschen Sache 
und als einen Triumph der überlegenen Diplomatie des Grafen 
Bernstorff. Denn Wilsons Name sei ein Programm. Dieser 
große Demokrat könne nur den Frieden wollen. Deshalb hätte 
die friedebedürftige amerikanische Demokratie ihn wiedergewählt. 
Noch einige Wochen hindurch wurde deshalb gegenüber diesem 
verlängerten demokratischen Regimente die Politik der moralischen 
Eroberungen und die Versöhnungspolitik wieder aufgenommen, in 
der Voraussetzung, daß wenigstens in Amerika die Demokratie 
der Friede sei. Aber auch diese Voraussetzung hat sich als irrig 
erwiesen, weil sich die Demokratie auch jenseits des Ozeans als 
durchaus mangelhafte Friedensstütze erwies. Sie war mit der 
stammverwandten englischen schon lange vor dem Kriege zu einer 
kapitalistischen Arbeils- und Erwerbsgenoffenschaft zusammen 
getreten, die sich jetzt gerade unter der gemeinsamen demokratischen 
Firma zwanglos in eine Kriegsgenoffenschaft umwandeln ließ. 
5. Frankreich 
Eindrucksvolle Zeugnisse für den Zusammenhang zwischen 
Demokratie und Krieg bietet die Entwicklungsgeschichte der fran 
zösischen Republiken. Am bekanntesten sind sie aus der Geschichte 
der alten Republik. Nicht nur die gemäßigtere Partei der Giron 
disten, sondern gerade auch die im Berg zusammengeschlossenen 
radikalen Demokraten sind lüstern nach Krieg und Eroberung. 
Gerade die dem Volkswillen anscheinend rückhaltlos ergebenen 
Revolutionäre organisieren nicht nur die Levee en masse, die 
allgemeine Volksbewaffnung, sondern auch die Conquete Jacobine, 
die vom roten Banner der Freiheit und Gleichheit überschattete 
jakobinische Eroberung. Der pazifistische Phrasenschwall der wort 
reichen französischen Kriegs- und Annexionsmanifeste kann über 
den kriegerischen Geist dieser alten französischen Demokratie nicht 
hinwegtäuschen. Gewiß nimmt das alles erst unter Napoleon 
ein gigantisches Ausmaß an. Aber Napoleon ist doch nicht nur 
allgemein der Erbe der Revolution, der Robespierre zu Pferde, 
sondern im besonderen auch der Erbe und Fortsetzer der revo 
lutionären Angliederungs- und Eroberungspolitik, nicht zuletzt als 
Herr Belgiens und des linken Rheinufers. Mag der Schlachten- 
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