Wilson im Lerbst 1916 wiedergewählt wurde, bezeichnete man
das in Deutschland vielfach als einen Sieg der deutschen Sache
und als einen Triumph der überlegenen Diplomatie des Grafen
Bernstorff. Denn Wilsons Name sei ein Programm. Dieser
große Demokrat könne nur den Frieden wollen. Deshalb hätte
die friedebedürftige amerikanische Demokratie ihn wiedergewählt.
Noch einige Wochen hindurch wurde deshalb gegenüber diesem
verlängerten demokratischen Regimente die Politik der moralischen
Eroberungen und die Versöhnungspolitik wieder aufgenommen, in
der Voraussetzung, daß wenigstens in Amerika die Demokratie
der Friede sei. Aber auch diese Voraussetzung hat sich als irrig
erwiesen, weil sich die Demokratie auch jenseits des Ozeans als
durchaus mangelhafte Friedensstütze erwies. Sie war mit der
stammverwandten englischen schon lange vor dem Kriege zu einer
kapitalistischen Arbeils- und Erwerbsgenoffenschaft zusammen
getreten, die sich jetzt gerade unter der gemeinsamen demokratischen
Firma zwanglos in eine Kriegsgenoffenschaft umwandeln ließ.
5. Frankreich
Eindrucksvolle Zeugnisse für den Zusammenhang zwischen
Demokratie und Krieg bietet die Entwicklungsgeschichte der fran
zösischen Republiken. Am bekanntesten sind sie aus der Geschichte
der alten Republik. Nicht nur die gemäßigtere Partei der Giron
disten, sondern gerade auch die im Berg zusammengeschlossenen
radikalen Demokraten sind lüstern nach Krieg und Eroberung.
Gerade die dem Volkswillen anscheinend rückhaltlos ergebenen
Revolutionäre organisieren nicht nur die Levee en masse, die
allgemeine Volksbewaffnung, sondern auch die Conquete Jacobine,
die vom roten Banner der Freiheit und Gleichheit überschattete
jakobinische Eroberung. Der pazifistische Phrasenschwall der wort
reichen französischen Kriegs- und Annexionsmanifeste kann über
den kriegerischen Geist dieser alten französischen Demokratie nicht
hinwegtäuschen. Gewiß nimmt das alles erst unter Napoleon
ein gigantisches Ausmaß an. Aber Napoleon ist doch nicht nur
allgemein der Erbe der Revolution, der Robespierre zu Pferde,
sondern im besonderen auch der Erbe und Fortsetzer der revo
lutionären Angliederungs- und Eroberungspolitik, nicht zuletzt als
Herr Belgiens und des linken Rheinufers. Mag der Schlachten-
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