Volltext: Kriegerische Demokratien in Vergangenheit und Gegenwart [97]

Farben wird das ausgemalt. Wie dem einzelnen Deutschen nichts 
daran liegen könne, den einzelnen Engländer oder Franzosen mit 
Krieg zu überfallen, so sei auch das ganze, aus den einzelnen 
Individuen bestehende Volk äußerst friedfertig. Wo es also herrsche, 
herrsche auch der Friede. Ein weiterer Satz lautet dann dahin: 
so ist es nicht nur heute, sondern so ist es im wesentlichen immer 
gewesen. Die Geschichte der Demokratie und ihre Verdienste 
um Theorie und Praxis des Friedensgedankens könnten das be 
weisen. Wo die Demokratie in einem Staate wirklich zur Macht 
gelangt ist, hat der Zanustempel geschlossen werden müssen und 
geschlossen bleiben können. Nur unter demokratischer Herrschaft 
hätten die Völker wirkliche Friedenszeiten genossen. Für heute 
aber gilt: Weil am besten die Demokratie den Frieden sichert 
und weil sie ihn von jeher am besten gesichert hat, deshalb ist 
sie auch vor allen anderen politischen Mächten berufen, ihn 
wiederherzustellen. 
Die demokratische Theorie hat in der Tat fast zu allen Zeiten 
dem Kriege und namentlich dem Eroberungskriege mit lebhafter 
Abneigung gegenübergestanden. Noch am Vorabend des Welt 
krieges verkörpert ein Ehrenmann wie der französische Sozialist 
Iaures diese Verbindung von Demokratie und Kriegsscheu in ein 
drucksvoller Weise. Auch in Giolitti und Bryan und anderen 
bedeutenden Demokraten des Weltkrieges kommt sie sinnfällig zum 
Ausdruck. Lört man nur auf sie und ihre idealistischen Gesinnungs 
genossen, so könnte man sich in der Meinung befestigen, daß 
zwischen Krieg und Demokratie ein natürlicher Abgrund liege, 
der nicht so leicht überbrückt werden könne, daß kriegerische oder 
gar erobernde Demokratien eigentlich undenkbar seien. Dagegen, 
wird uns versichert, seien die anti- oder auch nur die undemo 
kratischen Staaten von jeher die geborenen Friedensstörer, Kriegs 
hetzer, Eroberer, Vergewaltiger der kleinen Nationen und ihres 
Selbstbestimmungsrechtes. Besonders den Monarchien und den 
Monarchen werden dann gerne die meisten Kriege in die Schuhe 
geschoben. Je friedfertiger die Demokratien, um so kriegerischer 
erscheinen die Monarchien. Schon im achtzehnten Jahrhundert 
wird von den Gegnern der absoluten Monarchie und der Monarchie 
überhaupt der Monarch immer wieder als der geborene Kriegs 
macher und Eroberer hingestellt. Pazifismus und Antimilitaris 
mus andererseits sind schon damals mit Demokratismus vielfach 
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