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An Leib und Seele erschöpft, erreichte ich wieder glücklich die
Windhag-Bergwiese. So eben sah ich den Schein einer Laterne
aus der Tiefe von Weieregg sich heraufbewegen; es konnte Niemand
anders sein als mein Mann, und so schlug nochmals eine leise Hoff—
nung empor, daß mein Kind ihr folge. Als er allein sich näherte
und Kunde gab, daß Marie in Weieregg nicht gewesen — da war
daß Maß meines Unglückes voll; zermalmt von den Qualen, welche
so lange mich folterten, sank ich schluchzend zu Boden — ach! ich
hatte keine Thräne mehr meine Lage zu beweinen!
Mein guter Mann hatte die ganze Zeit die Hoffnung genährt,
das unglückliche Kind bei mir zu finden; bestürzt bis zum äußersten,
als seine Erwartung nicht eintraf, faßte er sich, indem er mir vor—
schlug noch einen Versuch im Walde zu machen, um Marie zu finden.
Er werde mit der Laterne in die Schlucht hinabsteigen, und daselbst
bis zur Ausmündung in das Thal fortgehen; ich sollte mich auf den
Höhen halten und theils dem Lichte, theils unserem beiderseitigen
Zurufe folgen. Also nochmals packte mich die entsetzlichste Angst!
Jeder Schritt in den Klüften und Schluchten konnte meinen Mann
verderben; wenn das Licht erlosch, oder sich zu Ende neigte bevor
der lange gefahrvolle Weg durchgemacht ist — an so kleinen ge⸗
ringfügigen Dingen war das Leben eines mir so Theuern geknüpft!
In den verschiedenartigen Krümmungen, welche die Schlucht
bildet, oder wenn von hohen Felsen verhüllt — entschwand manch—
mal das Lichichen in der Tiefe, und neue Qual umgab mich auf
Augenblicke, bis mir wieder der Name Marie aus dem Munde mei—
nes Mannes herauftönte. Es war ja der Name der Gottesmutter,
welcher in dieser Nacht so oft in diesem Walde gerufen wurde; —
das heilige Herz, welches selbst so viel Leid um den Sohn getragen,
wandte sich einer trostlosen Mutter zu um es zu schützen.
Die Kleider zerrissen — die Haare aufgelöst — fast schuhelos —
Stimme, Gehör, Sehvermögen von mir gewichen, oder zur Hälfte
gebrochen — konnte ich mich kaum bewegen, als wir endlich, das
Thal erreichten. Von meinem Manne mehr getragen als gestützt,
trafen wir um halb zehn Uhr Nachts beim Forsthause ein, von wo