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die noch steile Höhe des Berges um die Windhagen, und somit
freiere Rundschau nach dem Kinde zu erlangen.—
Wer faßt unseren Jammer, als wir Marie auch hier nicht
fanden! Mein Mann mit seinem geübten Blick konnte weitaus
nichts erspähen; — mein Auge sonst frisch und klar, verlor alle
Sehkraft — es war als wenn ein feiner Schleier sich vorlegte —
meine Füße brachen fast unter der Last des Körpers, und mit
zitternd bebender Stimme rief ich den Namen meines Kindes.
Beruhige dich liebes Weib — sprach mein Mann — gewiß ist
Marie in ihrer Sorglosigkeit, und bei ihrem nur zu beweglichen
Wesen — nach Weieregg zur Mutter vorangeeilt ,um uns da—⸗
selbst zu erwarten, und wie sie glaubt freudig zu überraschen.
Bleibe du einstweilen hier, fuhr mein Mann fort — und suche
die Waldung hinab durch ihren Namen rufend — ich aber be—
gebe mich so schnell als möglich nach Weieregg um dem Kinde
nachzufragen, und so verließ tröstend mich mein Mann. 4
Die Strecke von den Windhagen nach Weieregg ist bedeu—
tend, und in dieser Jahreszeit beschwerlich; hin und zurück kann
man vier Stunden annehmen, der Tag war schon weit vorge—
schritten, Schnee und Eis lag hie und da, besonders in den
Klüften und Schluchten — so wie die Sonne sich neigte, schien
es furchtbar kalt zu werden, und so erwartete uns noch viel des
Mühesales..
Ich sah recht wohl, daß mein guter Mann selbst nicht hoffe,
Marie in Weieregg zu finden, denn es war nicht anzunehmen,
daß Unüberlegtheit sie dahin brachte, den weiten Weg thalab
allein und ohne Schutz zu unternehmen. Wie ein Alp lag es auf
meiner Brust — denn meine Besorgniß das Mädchen sei in den
Zausengraben gerathen, wo es unfehlbar zu Grunde gehen
müsse — fand immer stärkeren Glauben in meinem zum Sterben
betrübten Herzen. Zitternd an allen Gliedern, wandte ich mich
gegen den Wald, immer den Namen Marie rufend „kam ich hinab
in das Thal von wo der Richtberg aufsteigt; — nochmals begab
ich mich denselben Weg hinauf bis zur Windhag-Bergwiese —