Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

Und dann hat er sich in dieser im= 
seligen Mondnacht doch wieder 
heimlich fortgeschlichen... Da ist 
der Entinger plötzlich aufgetaucht, 
wie er, der Sepp, gerade auf dem 
eben erlegten Gamsbock kniete und 
der Entinger hat auf ihn den 
Stutzen angelegt und dann hat er, 
der Sepp, schießen müssen, ja müs¬ 
sen, aus Notwehr sonst hätte 
wahrscheinlich... Was nützt alles 
entschuldigen? Das Malheur ist 
nun einmal geschehen. Was nun 
tun? Soll er dem Bauern alles 
beichten? Und dann in den Ker¬ 
ker wandern? Vom Almfrieden 
weg? 
Den Sepp schüttelt es und er 
legt sich in der Scheune ins Heu,' 
er findet aber keinen Schlaf... 
* 
Das helle Geläute der Kuh¬ 
glocken treibt den Sepp hinaus. 
Gerade eben gucken die ersten 
Sonnenstrahlen über den Plan¬ 
stein herüber. Sie kommen ihm 
heute nicht wie sonst rosig und 
goldig vor; blutrot scheinen sie 
ihm, ja, blutrot... 
Und wie er dann zur Weide 
hinaufgeht, hört er den Bauern 
schon von ferne fingen: 
Kanns denn was Schvnres geb'n 
als die Zufriedenheit? 
Bei uns auf der Alm herob'n, 
da gibts kein Streit: 
da tragt a jeder Bua, a jede 
Sennerin, 
im Herz'n, wenn 's auf ö' Welt 
kommt, 
schon 'n Almfried'n örinn. 
Der Sepp hält sich die Ohren 
zu. Heute tut ihm das Singen 
weh. In seinem Herzen ist es fin¬ 
ster, er hat den Almfrieden, den 
heiligen, schwer beleidigt, gekränkt 
und entehrt, durch seine Frevel¬ 
tat. 
„Bauer", und hohl, heiser ist der 
Ton seiner Stimme, „Bauer, i 
muatz gleich fort von da, muaß 
hinunter ins Tal. D' Mirzl is 
scho fort....!" 
Nach langer Mühe gelingt es 
dem entsetzten Gehbauer endlich, 
den Sepp zu einem vollen Ge¬ 
ständnis zu bringen. Und dann 
meint er: 
„Ah, freilich muaßt d' sofort 
hinunter und muaßt zur Gendar¬ 
merie, daß kein Unschuldiger lei¬ 
det! Schad' um dich, Sepp! Die 
verdammte Leidenschaft...!" 
Und dann frägt er noch: 
„Wo wird denn d' Mirzl hin 
sein? Leicht a ins Tal hinunter?" 
„Nein", meint der Sepp, „das 
brave, guate Weib tät sich ja schä¬ 
men... in d' Fremd wahrschein¬ 
lich... hätt mir nimmer in d' Au¬ 
gen schauen können...!" Tränen 
erstickten seine Stimme. 
Und dann wankt der Sepp fort. 
Er will den Weg zur Sühne ge¬ 
hen. 
* 
Kaum eine halbe Wegstunde 
mag er gewandert sein, da hält er 
Rast. Und all die schrecklichen Er¬ 
eignisse der letzten Tage martern 
sein Hirn. Vom Glück, von der 
reinen Liebe seiner herzensguten 
Mirzl, vom Almfrieden weg, hin¬ 
ein in dumpfe Kerkermauern...! 
Fluch der Leidenschaft, die Frieden 
und Glück gemordet! Sepp, zu 
spät, zu spät! 
Und wann i z'ruck muaß geh'n 
packt mich gleich 's Hoamweh an, 
halt mi mit aller G'walt, 
kann net davon. 
Da beginnen seine Augen irre 
zu leuchten; er jauchzt und singt 
und schreit: „...kann net davon." 
„Nein, i kann net davon!" 
Und dann steht er auf und geht 
wieder bergan. Wie ein Betrun¬ 
kener wankt er. Der Alm weicht 
er aus, zum Planstein zieht es
	        
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