Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

donposten. Das muß ihr Franzl 
sein, sagt ihr ungestüm pochendes 
Herz. Das Weiblein, dem Umsin¬ 
ken nahe, nimmt ihre letzte Kraft 
zusammen, denn schon ist sie in 
Rufweite. Soll sie ihn rufen? 
Nein, sie wird ihn überraschen. 
Der Mond breitete sein fahles 
Licht über die Erde. Der Posten 
zeigt ihr den Rücken. Sie hatte sich 
nicht getauscht, er ist's. Das Herz 
klopft ihr bis zum Halse, auf¬ 
schluchzend sinkt das Mütterchen 
in die Knie. Nur noch einige 
Schritte. Der Mond ist hinter 
einer Wolke verschwunden. Da 
plötzlich schallt ihr ein lautes 
„Wer da?" entgegen. Tränen 
schießen ihr in die Augen. Wieder 
ertönt ein ehernes „Wer da?" Ja, 
was hat denn nur ihr Franzi, 
fühlt er denn nicht die Nähe sei¬ 
nes Mutterls? Sie will ihm ent¬ 
gegenstürzen, Franzl, will sie 
jauchzen, doch die Zunge klebt ihr 
am Gaumen. Mit Anspannung 
ihrer letzten Kräfte taumelt sie 
ihm entgegen. Da, wieder ein rau¬ 
hes „Wer da?" und ein... Schuß! 
Ein schmerzdurchwühltes „Franzl", 
das Mutterherz hatte ausgeschla¬ 
gen. 
Der Kvrdonposten schreitet wei¬ 
ter auf und ab, Schritt für Schritt. 
Ihm graute vor dieser Art Pflicht¬ 
erfüllung. Er hatte ihn satt, diesen 
eisernen, schonungslosen Dienst. 
Wie schwer fiel ihm die eben be¬ 
gangene Tat. Doch diese Tat, sie 
reifte auch seinen Entschluß. Mor¬ 
gen flüchtete er heim zu seiner 
Mutter. Schleichend und schuld¬ 
bewußt verließ der Mond die 
schützende Wolkenwand. Dem Kor- 
öonisten ließ es keine Ruhe. Wer 
war das Opfer? Wo nahm der Un¬ 
glückliche den Mut her, sich so na¬ 
he heranzuwagen? Hastig und 
schaudernd näherte er sich der re¬ 
gungslos am Boden liegenden 
Gestalt, kniete nieder und — wie 
vom Blitze getroffen, zuckte er zu¬ 
sammen. Eisern umkrampften sei¬ 
ne Hände den Kolben des Geweh¬ 
res, so daß die Gelenke knackten 
und das Blut aus den Nägeln 
drang. Steinern wurden seine 
Mienen und starr wurde sein 
Blick. Tonlos, unbewußt entrang 
es seinen Lippen: „Muttermör¬ 
der!" 
Am nächsten Morgen fand die 
Ablöse hart nebeneinander zwei 
Tote. 
Del Summa will schlafen geh'n . . . 
Da Summa will schlafen geh'n, 
er is so viel müad, 
und d' Bleamal im Garten 
hab'n sei' Müadsein schon g'spürl. 
Die Farb'n sän verblicha 
und d' Köpferl bleibn g'senkl, 
weil der herzlose Sunnschei' 
koa Lebn neama schenkt. 
War d' Nacht eisig kalt, 
hals der Reif so schia packt, 
eani Gliedert sän starr word'n 
und d' Herzerl verzagt. 
Da Summa derf schlafen geh'n, 
grad mir müassen sterb'n, 
wia soll oan da nif 
Bis ins Herz angsti werd'n — ? 
Annie Laimer-Lamprecht.
	        
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