Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

Menge ein greifet Priester den 
Pferden des Kaisers entgegen und 
brachte sie zum Stehen, so daß der 
ganze Zug jäh stockte. 
„Die Frau mit den goldenen 
Fesseln ist gestürzt", sagte Septi- 
mus, der Priester, und wußte doch, 
daß sie die Königin des Ostens 
war. 
„Dein Amt ist es, Unglücklichen 
beizustehen", versetzte Aurelianus 
in kaltem Spott, „nimm die Gefan¬ 
gene mit dir und sende mir Bot¬ 
schaft, wenn sie genesen ist!" 
In dem kleinen Haus des Chri¬ 
stenpriesters Septimus ward Ze¬ 
nobia von dessen greiser Schwester 
Tabitha gepflegt. 
Die Gegenwart war still und 
gut — die Geschwister taten alles, 
der Königin ihre Lage zu erleich¬ 
tern und wenn Tabitha von Chri¬ 
stus erzählte, von der süßen Jung¬ 
frau Maria, von dem heiligen 
Flügelschlag einer weißen Taube, 
war es wie stilles Geborgensein. 
Aber hinter diesem Frieden lag die 
Not des Verlorenen Krieges, die 
Vernichtung der Heimatstadt, die 
Schmach, die der Königin gewor¬ 
den. Und vor diesem Frieden war¬ 
tete die Grausamkeit des römischen 
Adlers. 
Als Zenobias Gesundheit sich ge¬ 
kräftigt Hatte, ließ sie der Kaiser 
an den Hos entbieten und Septi¬ 
mus geleitete sie. An seiner Seite 
betrat sie den Auöienzsaal, aber sie 
sah nicht dessen Prunk, nicht die 
Höflinge und Krieger, nicht den 
bleichen Jüngling im Hintergrund, 
nicht den Imperator auf dem 
Thron. Sie sah nur den römischen 
Adler leuchten und ihr war, als 
schwebte er — riesenhaft vergrößert 
— beherrschend und unerbittlich 
über der Welt. Als Zeichen der Er¬ 
denmacht und Jmperatorengröße. 
Aber damals — als Noes Arche 
auf den Fluten getrieben, hatte 
ihm kein Adler, sondern eine Tau¬ 
be die Botschaft des Friedens ge¬ 
bracht. Und der Geist Gottes selbst 
war gleich einer Taube vom Him¬ 
mel herabgekommen! 
Domitianus Aurelianus hatte 
sich vor Zenobia, die er ehedem im 
Glanz ihres Königtumes gesehen 
und dann zu tiefst geöemütigt hat¬ 
te, erhoben. Er sprach und sein 
Blick lag glutenö aus ihrer Schön¬ 
heit: 
„Ich will Friede mit dir machen, 
Zenobia! Denn heute erst gestand 
mir jener Gefangene" — er wies 
nach dem bleichen Jüngling Varro 
— „daß du unschuldig warst an 
dem überfall aus meine Besatzung. 
Darum will ich dir bei Rom einen 
reichen Besitz schenken — und volle 
Freiheit, Zenobia." 
„Ich will kein Geschenk von dir", 
antwortete sie leise. 
„Das heißt, du willst mich mei¬ 
nen Fehler nicht gutmachen las¬ 
sen?" fragte er verhalten. 
Sie lauschte tief in ihre Seele 
hinein, dann kam es ihr von den 
Lippen: „Laß mich dich um eine an¬ 
dere Gunst bitten, Kaiser Aure¬ 
lianus!" 
„Du willst-du willst doch 
nicht in die Wüste zurück?" 
„Ich will nicht mehr zurück, wo 
alles zerstört ist, was ich dereinst 
geliebt. Aber ich bitte dich, Varro 
nach Syrien zurückzusenden." 
„Um dein Königreich wieder aus¬ 
zurichten?" lachte er spottend auf. 
Mit einem leisen, gütigen Lächeln 
beantwortete sie des Römers 
Spott, sagte: „Es ist nicht darum. 
Aber ich weiß, daß Varro Christ ist 
und er soll in der Wüste den Men¬ 
schen, die noch Heiden sind, die Bot¬ 
schaft vom Frteöensreiche Gottes 
verkünden. Denn siehe, immer wie¬ 
der werden Boten von Rom zu den 
Heiden gehen müssen und ihnen 
den Segen des Himmels bringen. 
Immer wieder wird die Taube des 
Geistes heiligen und befrieden
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.