Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

Soldat, der in der Verwirrung auf 
windschnellem Rosse entkam, ver¬ 
nichten kann! Oh, über die Frei¬ 
heit, die vor dem zurückgekehrten 
römischen Heer, vor Aurelianus 
nicht standhalten kann. 
Nun schonte der Römer nicht 
wie vordem, nun loderte Feuer 
durch die Straßen der Stadt, nun 
starben Männer und Jünglinge 
blutigen Tod oder wurden wie die 
Frauen und Kinder schmählicher 
Sklaverei geweiht. 
Zu Tode verwundet, hatte sich 
Firmus in den Königspalast ge¬ 
schleppt, dorthin, wo sich in der 
großen Halle das Standbild des 
Odenatus, von goldenen Ketten 
umschlossen, erhob. 
Mit einem letzten Blick auf die 
Statue und auf Zenobia starb der 
junge Krieger. 
Die Königin aber kniete neben 
dem Toten und betete zu dem un¬ 
bekannten Gott um Stärke. Uralte 
Worte klangen in ihrer Seele auf, 
kamen von ihren Lippen: 
„Mit dem Geiste, der mächtig ist 
zu führen, stärke mich!" 
Frauen und Mädchen von Pal¬ 
myra drängten in die Halle, als 
suchten sie Schutz bei Zenobia oder 
bei der Statue des siegreichen 
Herrschers. 
Zenobia wollte trösten, ermuti¬ 
gen — und erschrak je in- tiefster 
Seele. Denn auf der Schwelle stand 
mit einem Male, von Bewaffneten 
gefolgt, der Kaiser Aurelianus. 
Für eines Herzschlages Länge 
war Schweigen. Die Königin des 
Ostens senkte den Blick nicht vor 
dem des rächenden Feindes. Der 
sprach: „Ich habe dir vertraut — 
— und das war dein Dank?" 
Sie schwieg: denn sie wollte den 
jungen Toten vor ihr mit keinem 
Worte belasten. 
„Ich wußte nicht, daß deine Au¬ 
gen lügen können", fuhr der Kai¬ 
ser fort. 
Da wandte sie den Blick von ihm 
und sprach: „Du bist gekommen, zu 
töten und zu vernichten. Ich bin 
nur ein Weib und kann dir nicht 
wehren, denn meine Krieger sind 
geschlagen. Aber ich will nicht re¬ 
den mit dir." 
„Fesselt sie", befahl Aurelianus 
den Soldaten und trat ins Innere 
des Raumes, daß jene nachdringen 
könnten. 
„Ich bin eine Königin", rief Ze¬ 
nobia, „und nicht gewöhnt, Fesseln 
zu tragen. Ich trage nur Perlen 
und Gold." 
Da lachte der Kaiser hart und 
spottend auf und winkte den Sol¬ 
daten, die seinen stummen Befehl 
zu deuten wußten. Mit den golde¬ 
nen Ketten von ihres Gatten 
Standbild war die Königin des 
Ostens gefesselt und so aus Pal¬ 
myra fortgeführt. Sie wandte sich 
kein einziges Mal um, um nicht zu 
sehen, wie die Stadt hinter ihr ver¬ 
brannte. 
War wohl der Triumph des' Au¬ 
relianus größer oder die Schmach 
der Königin des Morgenlandes? 
Sie schritt hinter seinem Wagen, 
als er — von Jubel umbraust — 
in Rom einzog. 
Ihr reiches Haar war unbedeckt 
und statt des fürstlichen Prunkge- 
waudes hüllte ein rauhes Kleid 
ihre edlen Glieder. Die Hände 
aber waren gefesselt mit der schwe¬ 
ren goldenen Kette, die hinter ihr 
nachschleppte, und waren blutig 
und wund. Und gerade unter dem 
Triumphbogen, den man dem 
Sieger errichtet, stürzte Zenobia 
zusammen. Die goldenen Fesseln 
glühten im Sonnenlicht und ihre 
Hände waren rot von Blut: ihr 
Antlitz lag still und weiß auf der 
Fülle ihres Haares. 
Als hätte der Kaiser ihren Fall 
nicht bemerkt, wollte er seinen 
Weg fortsetzen und das Gefolge 
drängte nach. Da warf sich aus der 
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