Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

So lebt der alte Kaiser Franz Josef in 
den Herzen der Salzkammergutler 
Der Zufall brachte mich in bas 
Haus der Frau Marie Engl in 
Roith Nr. 8 bei Ebensee und als 
ich die niedere, einfache aber rein¬ 
lich und gemütliche Wohnstube der 
alten Frau betrat, um eine Aus¬ 
kunft zu erbitten, hätte ich es mir 
nicht träumen lassen, daß hier im 
Herzen dieser alten Frau und in 
ihren Schränken Erinnerungen 
an die Zeit, da Kaiser Franz Josef 
hier seine Sommerresidenz aufge¬ 
schlagen hatte, bewahrt sind, die 
manch einem, der solche Erinne¬ 
rungen sammelt, unschätzbar schei¬ 
nen mögen. Gerade als ich die er¬ 
betene Auskunft erhalten hatte, 
begann es zu regnen und die gast¬ 
freundliche Frau ließ mich nicht 
mehr fort. 
Wir plauderten und die fast 
Achtzigjährige, froh einen Men¬ 
schen gefunden zu haben, mit dem 
sie von „ihrer" guten alten Zeit 
reden konnte, wurde immer leb¬ 
hafter und ein Glied schloß sich 
ans andere an der Kette ihrer 
Erinnerungen. 
Sie war einmal ein fesches und 
sauberes Bauerndirndl und ihr 
Elternheim stand drinnen in der 
Vornan, wo der Kaiser und seine 
Jagdgäste Rast hielten, wenn sie 
in diesem Gebiet jagten. Sie er¬ 
innert sich noch sehr deutlich eines 
Tages, da die Erzherzogin Maria 
Valerie und ihr nachmaliger 
Gatte Erzherzog Salvator noch 
junge Menschen waren und mit 
der Kaiserin Elisabeth eine kleine 
„Almpartie" unternahmen. Sie 
mußte damals eine Kuh bis zum 
Picknickplatz der Hoheiten mittrei¬ 
ben, weil die Kaiserin dort kuh¬ 
warme Milch trinken wollte. 
Beim Plaudern stellt sie eine 
Schale Kaffee vor mich hin und 
nötigte mich zuzulangen. Als ich 
die schöne alte Schale bewundere, 
bringt sie eine Serie von wert¬ 
vollen Sevres - Porzellan-Tellern 
aus dem Glasschrank hervor, die 
das Entzücken jeden Kenners er¬ 
regen dürften und die ihr ein 
gräflicher Jagdgast des Kaisers 
einmal zum Geschenk gemacht hat. 
Ihr wertvollstes Stück aber ist 
ein einfacher Glasstutzen, der auf 
einem schlichten grünen Blatteller 
steht und mit Stolz berichtet sie: 
„Aus diesem Glas hat der alte 
Kaiser jedesmal seine sauere 
Milch getrunken und auf diesem 
Teller ist sein Butterbrot stets 
gelegen!" Es ist ein eigentümli¬ 
ches Gefühl, ein Glas in der Hand 
zu halten, aus dem zuletzt der 
Kaiser von Oesterreich getrunken 
hat, einen Teller in der Hand zu 
fühlen, von dem er sein Butter¬ 
brot genommen. „Und der Butter 
hat in Kaiser so guat g'schmeckt, 
daß er allerweil verlangt hat, daß 
a Stritzl nach Ischl mitg'nummen 
wird!" 
Außer dem Kaiser ist Prinz 
Leopold oft Gast im Heimhaus der 
alten Frau Engl gewesen. Einmal 
hat er sich ein Spaß gemacht und 
Milch bestellt und Butterbrot ge¬ 
gessen und dann hat er gemeint 
„Mitzl, was tun wir jetzt? Ich 
hab kein Geld mit zum Zahlen?" 
Und wie die „Mitzl" sorglos er¬ 
klärt hat „dös wird do Seine Ma¬ 
jestät der Kaiser für -'Hoheit aus¬ 
legen!" da hat er herzlich gelacht 
und hat ihr ein Goldstück in die 
Hand gedrückt: „Um Gottes wil- 
117
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.