Da war Zenzi herbeigeeilt, um die Tiere zu füttern. Sie staub
gerade vor ber Türe des Stalles, als ein ungeheures Felsstück von
der Höhe kam und in gewaltigen Sprüngen hinunterstürzte. Zenzi
sah den Felsbrocken, sie sah auch, daß er sie treffen müsse. Aber
leider! Es war zu spät, sie konnte nicht mehr beiseite springen.
Ein greller Aufschrei! .... Und schwer am Kopf getroffen, stürzte
die arme Magd zusammen.
In ihrem Blute, regungslos, lag diese selten brave Frauens¬
person da, als sie von ihren Dienstgebern aufgefunden wurde.
Ein edles Menschenleben war vorüber!
Als die Mutter -er Verstorbenen von dem Tode ihrer Tochter
erfuhr, schrie und weinte sie derart, daß die Leute aus dem Dorfe
kommen mußten, um sie zu beruhigen. Andreas schaute mit weit¬
geöffneten Augen die Menschen an, wie wenn er vor Schreck er¬
starren wollte. Und dann war es, wie wenn er zu sich gekommen
wäre, denn er fing zu weinen und zu schluchzen an und niemand
konnte ihn trösten.
Da die arme Frau und der Knabe nichts zu leben hatten, mu߬
ten sich mitleidsvolle Menschen ihrer annehmen. Im selben Fahre
noch starb die Großmutter und Andreas kam zu fremden Leuten,
die ihn um geringes Entgelt, das sie von der Gemeinde bekamen,
ausgenommen hatten. Dem armen Knaben ging es recht schlecht,'
er mußte im Stall, oft auf feuchtem Stroh schlafen. Das lern¬
begierige Kind durfte nicht seine Aufgaben machen,' auch war es ihm
von seinen Pflegeeltern untersagt, sich in der Schule darüber zu
beklagen. Er hätte sonst Schläge bekommen und sein ohnehin be¬
scheidener Mittagstisch wäre noch schmäler geworden. Andreas
wäre an Leib und Seele zugrunde gegangen, hätten ihn nicht sein
gutes Inneres und das Andenken an seine Mutter daran gehindert.
Er hatte ja noch sein Buch! Heimlich las er oft daraus und da er
fürchtete, daß man es ihm wegnehmen könnte, versteckte er es oft¬
mals im Stall oder unter einem Heuschober, wo er es in Sicherheit
glaubte. Als er zwölf Jahre alt war, nahm ihn ein anderer Bauer,
bei dem er schon im Stall und im Walde arbeiten mußte und als
zwei, drei Jahre vorüber waren, trat er als Knecht in eine größere
Wirtschaft ein, wo er brav und gewissenhaft arbeitete und es ihm
Freude machte, sich seinen Lohn zu ersparen und in einem Säcklern
Silbermünzen aufzubewahren.
Jahre gingen vorüber und Andreas Riegelhofer war als treuer,
musterhafter Knecht bekannt. Niemals sah man ihn im Wirtshäus¬
er fand keine Freude daran. Da diente er auch einmal in einem
größeren Bauernhof und lernte daselbst eine kleine, aber recht be¬
scheidene Dirn kennen. Es war des Seewirts Annerl. Da in ihrem
Vaterhause genügend Geschwister arbeiteten, war Annerl über¬
flüssig geworden und konnte sich auswärts einen Dienstposten
suchen. Sie hatte sich schon etwas erspart und von ihrem Vater
sollte sie auch noch ihr Heiratsgut bekommen. Aber der Alte wollte,
solange er lebte, seine Ersparnisse nicht teilen. So mußte Annerl
dienen, bis ihr Vater starb und dann erst konnte sie den Riegelhofer
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