Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1931 (1931)

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Oie ©Iftinduftrie der Indianer. 
Von Univ-Prof. Dr. I. Schiller. 
Das wertvolle Gift Curare. — Die Herkunft des Giftes. — Handel. 
— „Fabriken" im Urwald. — Besuch in der Gifthütte. — Hohe 
Preise. — Die Wirkung der Pfeile. 
Die tropische Pflanzenwelt schenkt dem Urwaldmenschen zum 
sicheren Erbeuten der Tiere ein Produkt, das wertvoller als Pulver 
und Blei ist. Ohne behördlichen Giftschein gibt sie ihm 
die furchtbarsten Giftstoffe, die man kennt. 
In Südamerika ist es das bekannte Curaregift, das von über¬ 
ein riesiges Gebiet zerstreut wachsenden Kletterpflanzen, den 
Strychnosarten, stammt. Es klingt sonderbar, ist aber voll berech¬ 
tigt, wenn man sagt, daß dieses schnell tötende Pfeilgift ein Glück 
für Jäger und Wild ist. Denn im dichten Urwald würde ein ver¬ 
wundetes Stück Wild nur selten und unter besonders glücklichen 
Umständen in die Hände des Jägers gelangen, da dem Wild überall 
Schlupfwinkel sich bieten, in denen es todwund unauffindbar bliebe. 
Denn unvergiftete Pfeile können nur bei kleinen Tieren den sofor¬ 
tigen Tod herbeiführen. Die vergifteten Pfeile des Indianers töten 
nach wenigen Sekunden oder Minuten und bewahren das Wild vor 
langen Qualen. Denn selbst ein so großes Tier wie der Tapir er¬ 
liegt nach wenigen Minuten, 
selbst wenn der Giftpfeil eben nur eine kleine blutige Hautwunde 
ritzte. 
Das Gift übt so schnell seine Wirkung aus, daß das Tier kaum 
mehr einen Fluchtversuch machen kann. Dabei sinkt der Kopf, feiner 
Schwere folgend, nach vorn, die Beine wanken, das Tier versucht 
sich fester zu stellen, stürzt jedoch im nächsten Augenblick nieder. 
Ohne Schrei, ohne wilde Bewegungen verendet das vom Gift völlig 
gelähmte Tier. Lautlos fliegt ein Pfeil nach dem andern aus dem 
Blasrohr des Indianers in eine Schar von Vögeln und Affen, 
ohne daß die Tiere die Nähe des Jägers und ihre Todesgefahr er¬ 
kennen. Da das Fleisch ohne jede Gefahr für die Gesundheit ver¬ 
zehrt werden kann, hat der Jäger des Urwaldes eine in jeder Hin¬ 
sicht idealere Waffe als das Gewehr. Sicherlich bleiben die Indianer 
Südamerikas dem Blasrohr treu. „Ich weiß", sagte ein alter In¬ 
dianer, der Giftmeister seines Stammes, „die Weißen verstehen die 
Kunst Seife zu machen und das schwarze Pulver, bei dem das üble 
ist, daß es Lärm macht und die Tiere verscheucht, wenn man sie fehlt. 
Das Curare, dessen Bereitung bei uns vom Vater auf den Sohn 
übergeht, ist besser als alles, was ihr dort drüben über dem Wasser 
zu machen wißt. Es ist 
der Saft einer Pflanze, der ganz leise tötet, 
ohne daß man weiß, woher der Schuß kommt." 
Das Curaregift wird aus etwa 1ö Arten der etwa 60 Arten 
umfassenden Gattung Strychnos gewonnen. Nach den Beobachtun-
	        
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