Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1931 (1931)

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'Der Ving. 
Mephisto sprach zu Margarete: „Oeffne die Tür, meine Schöne, • 
den Ring am Finger!" 
Wer trägt nicht heute seinen Ring am Finger? Dieses Schmuck¬ 
stück hat seinen Ursprung in grauer Vorzeit. Der erste Ring, so die 
Geschichte erwähnt, ist der eiserne Ring des Wrometheus. Schon vor 
der Epoche des Eisens trug man Ringe von Holz, die ältesten Bücher 
Indiens berichten es. Philostratus, der griechische Sophist (3. Fahr¬ 
hundert n. Chr.) sagt, daß die Brahmanen einen Ring bewahrten, 
dem!ste übernatürliche Tugenden zuschrieben, daher ohne Zweifel 
die Talisman-Ringe. Das indische Heldenepos Namayana meldet, 
daß Ringe auch als Erkennungszeichen dienten. Bei den Aeg-yptern 
waren sie ein Zeichen von Macht und gaben authentischen Akten 
ihr Siegel. Gesammelt wurden Ringe aller Arten: emaillierte aus 
Terrakotta, Gold, Silber, Quarz, Bergkristall, Bernstein, Jaspis 
oder Elsenbein. Es gab einfache, zwei-, drei-, vierfache. Großer Be¬ 
liebtheit erfreuten sich die Käferringe,' ein seiner Silber- oder Gold- 
draht trug auf einem winzigen Zäpfchen einen Käfer, mitunter 'war 
das Insekt inkrustiert in einem schmalen Metallreisen. Solch ein 
Juwel zeigte von großer Fertigkeit der Künstler, welche die seine 
Arbeit ausführten. In den Gräbern der Toten, denen man Ringe 
als Souvenir beigegeben hatte, fand man herrliche Stücke. 
Plutarch erzählte, daß die Aegypter, La sie sich der Gottheit zu 
Füßen warfen, zum Zeichen der Demut die Ringe von den Händen 
zogen. Alle Finger waren ringgeschmückt, vorzugsweise die der lin¬ 
ken Hand. Diese Ueberladung erklärt die reichen Funde in den Sär¬ 
gen und Ruinen. Die Monumente am Nilufer stellen Personen dar, 
deren Daumen den Siegelring trug. Der Zeige-, Mittel- und Ring¬ 
finger trug mehrere Ringe, der kleine Finger nur einen. 
In Griechenland, so sagt Homer in der Jliade und Odyssee, 
wurden zu Ehren der Götter herrliche Kleinodien verfertigt, doch 
niemals Ringe. Polykrates, der Tyrann von Samos (600 v. Chr.), 
trug einen goldenen, mit einem wertvollen Smaragd gezierten 
Ring,' genannter Stein galt als Tugendstein. Schiller hat in seinem 
Gedicht „Der Ring des Polykrates" das wundersame Schicksal die¬ 
ses Ringes in poetische Form gegossen. Sappyo schrieb an ihre 
Freundin: „Sei nicht so stolz auf deinen Ring." Sokrates spottet der 
Gecken, die ihre Finger bis an die Nägel mit Ringen bestecken. 
Zur Zeit des Romulus trugen die Römer nur an der Linken 
Ringe, später an allen Fingern, mit Ausnahme des Mittelfingers, 
der in der Chiromantie oder Handlesekunst Saturnus^Finger heißt. 
Unter der Republik trugen nur die Reichen und Magistratsperso¬ 
nen diese Zier, später, unter den Kaisern, wurde die Mode allge¬ 
mein,' sogar Sklaven trugen einen Ring, Condolium genannt. Die 
Kelten, Gallier und Franken steckten ihn an den Mittelfinger. Vom 
Mittelalter stammt ein Ring Childerichs und emaillierte Ringe von 
Bischöfen des 10. Jahrhunderts. In jener Epoche trugen Personen
	        
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