Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1931 (1931)

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es wieder Heimzubringen. Der Knabe hatte Schwester Caritas er¬ 
zählt, wie er zur Brücke gekommen war, wer er sei, daß er um den 
Vater sich sorge, und die kluge Fürsorge der Schwester und des 
Arztes hatte nicht geruht, bis der Vater Nachricht bekam vom Kinde. 
Jetzt tritt der Mann in das Zimmer und Felix fliegt ihm an 
die Brust. 
Dann küßt er den Buben voll Stolz und Vaterglück. 
Die Leute aus dem einfachen Volke küssen seltener als die der 
„besseren" Kreise, aber wärmer, aufrichtiger ist ihr Kuß. Sie wissen 
es ja, daß Küssen etwas Heiliges sein soll, weil es bedeutet, Seele 
in Seele versenken. 
Das fühlt der schlichte Wechselwärter, darum berührt immer 
wieder seine Lippe die Stirne des Knaben. 
Erst dann kommen ihm die Worte: „Felix, mein lieber, braver 
Felix!" 
Der Junge aber schlingt die Arme um den Vater und ruft in 
heller Freude: „Der Heiland hat mir wunderbar geholfen." — 
Ueber Wunsch des Arztes währte das Wiedersehen nur einige 
Minuten. Die Freude, zu lange genossen, könnte dem Kinde schaden. 
Vater Scheichl muß im Krankenhause übernachten. Man ehrt ihn 
wie einen vornehmen Gast. 
Bevor er am nächsten Vormittag zum Kinde darf, klopft es an 
seiner Türe und ein gutgekleideter Herr tritt in den Raum. 
„Sind Sie der Vater des Knaben, der die Fahrgäste des Zuges 
gerettet Hat?" 
„Ja, ich bin der Vater Scheichl. Mein lieber Bub hat es ge¬ 
wagt und Gott hat ihm geholfen." 
Der Fremde bittet um einen genaueren Bericht. Scheichl 
erzählte, was er vom Knaben und daheim vom Stationsvorstande 
erfahren Hatte. 
„Seit wann sind Sie im Ruhestände?" fragte der Unbekannte. 
„Ich erfuhr, daß Sie das Opfer Ihres Berufes geworden." 
„Seit zwei Jahren." 
Der Wechselwärter mußte erzählen, wie sich damals das Un¬ 
glück zugetragen. Er tat es in der schlichten, ihm eigenen Weise, die 
jedes Selbstlob mied. 
„Brav, Vater Scheichl! Solcher Männer sollte es mehr geben! 
Welchen Lohn empfingen Sie für Ihre Tat?" 
„Welchen Lohn? Ich tat doch nur meine Pflicht. Man sprach 
mir die Anerkennung aus und bewilligte, da ich dienstunfähig ge¬ 
worden, die fällige Pension." 
„Wieviel beziehen Sie an Ruhegehalt?" 
Der Wechselwärter nannte die Summe. 
„Nicht mehr?" 
„Ich zählte nur so viele Dienstjahre. Mehr gebührt mir nicht."
	        
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