Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1931 (1931)

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ohne Eile strebt er vorwärts. Er muß drüben sein, ehe der Zug da 
ist. Der Führer der Lokomotive muß das Licht noch sehen, ehe die 
Räder die Brücke berühren. 
Je weiter Felix vorankommt, desto gefährlicher zeigt sich der 
Weg. Vym Mauerwerk unter den Schienen sind ganze Trümmer 
weggerissen, stellenweise klafft der Boden auf, und das Wasser unten 
wird unterm Schein der Laterne sichtbar. Einmal verfängt sich der 
Fuß, mit der größten Mühe kann er sich wieder loslösen. Dem Jun¬ 
gen hämmert das Herz. In seiner Not kann er nichts tun als beten. 
Plötzlich erbleicht er. Er sieht mehrere Meter lang nur noch die 
Schienen laufen, alles andere unter ihnen ist weggerissen. Das 
Wasser bäumt sich, fast greifbar nahe, empor, als wollte es mit sei¬ 
nem Bäumen sagen: Was wist du noch hier? Das ist meine Beute. 
Flieh, sonst ist es für dich zu spät! Felix zögert, soll er vorwärts, soll 
er zurück? Der Versucher wagt sich an den Jungen heran und fragt: 
Für wen opferst du dich? Für Leute, die du gar nicht kennst. So 
jung bist du, nur einmal hast du zu leben, das alles willst du tun für 
Fremde. Durch die Seele des Kindes aber klingt die Stimme des 
Glaubens: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Und 
wieder ruft der Versucher: Was hast du, was haben sie davon, wenn 
du vorwärts dringst und von den Schienen in die Tiefe stürzest? 
Ihnen ist nicht geholfen und du büßt es mit dem Leben. Der Knabe, 
ratlos, wie er vorankomme. Hat die Hände gefaltet und betet zu Gott 
um Hilfe. Da flüstert ihm wieder der Glaube in die Seele: Was 
du dem Geringsten meiner Brüder getan, das Hast du mir getan. 
Unsterbliche Seelen sind es, die du da retten kannst. Gar mancher 
würde darunter sein, der in schwerer Sünde in die Ewigkeit hinüber 
müßte! Gott sieht das Opfer, das du bringst. Deines Opfers willen 
kann er Erbarmen üben und dich zum Werkzeug ihrer Rettung ma¬ 
chen. Da fühlt sich der Knabe von neuem Mut beseelt. Unsterbliche 
Seelen gilt es, die er retten soll. Er kniet sich zu Boden, auf die 
Schienen, langsam, vorsichtig schiebt er sich voran, der Todesgefahr 
nicht achtend, von der ihn kaum einige Armlängen mehr trennen. 
Eine überirdische Kraft beseelt ihn, er kennt sich selber nicht mehr. 
Nach vier Minuten hat er die gefährliche Stelle Hinter sich und 
kann sich erheben. Wieder zu Fuß voran, wieder ein Stück, so tritt¬ 
weise Meter an Meter, bis er mehr als die Hälfte der Brücke hinter 
sich weiß. 
Bis er zur Stelle kommt, die noch Schlimmeres vorweist, als 
die frühere. Eine einzige Schiene verbindet nur noch hüben und 
drüben miteinander. Dem Knaben sinkt der Mut. Der Versucher 
steht zum drittenmal neben ihm und spracht: Denke an deinen Va¬ 
ter. Niemand hat er mehr aus der Welt, wenn du zugrunde gehst. 
Das kann niemand von dir verlangen, von dir, einem Kinde, vom 
einzigen Kinde seines Vaters. Da sieht Felix im Geiste den Vater 
vor sich. Deutlich, ganz deutlich, bis zur kleinsten Linie. Er hört 
ihn reden: Felix, auch mir ging es einmal wie dir. Andere sollte ich 
retten und dachte: Wenn ich aber nimmer heimkehre? Wer wird für
	        
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