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Das €ünd des ^Dechselwärters.
Erzählung von Anton Pichler.
Oft Senke ich Sein, du lieber, braver Felix! Sind es auch schon
sicher zwanzig Jahre, seit du nicht mehr unter der Schar meiner
Schulbuben sitzest, der fröhlichsten, pflichtgetreuesten einer warst du
immer. Fröhlich und pflichtgetreu, es gehört ja zusammen, denn wer
getan, was er soll, kann fröhlich sein. Erinnerst du dich des Tages
noch, an dem du nach jener Tat, die wir dir nie ver¬
gessen werden und ans die wir stolz sind, zum erstenmal
in die Schule kamst? Alle hatten einen -freudigen Gruß
für dich, denn alle wußten, warum du zwei Wochen lange uns ferne
geblieben. Ich wünschte dir Glück. Dabei hielt ich deine Hand in der
meinen und fühlte das leise Zittern, das durch deinen Körper ging.
Auch ein Kind kann ergriffen sein. Du erst gar, du mit deiner schö¬
nen Herrlichen Tat. Von ihr -will ich erzählen. Gelt, du zürnst mir
nicht? Ich darf alles sagen, wie es war. Du willst sonst nicht gelobt
sein, denn du bist ein Mann. Die Leute sollen wissen, daß es im ein¬
fachen Volke Helden gibt und ein solcher warst du ...
Der Wechselwärter Franz Scheich-l hatte gedient, unermüdlich
Tag und Nacht, bis jene Stunde ihn wegriß von der Arbeit, die ihm
und den -Seinen ein karges, aber ehrlich erworbenes Brot gegeben.
Die Zeiten waren auch damals schon teuer, und der Verdienst reichte
eben so weit, daß damit der Vater und der Bub (die Mutter war
schon gestorben) leben konnten. Der Mann sammelte seit dem Tode
des Weibes all seine Liebe und übertrug sie aus das Kind. Selten
sah ich einen Vater so am Kinde hängen, wie dieser schlichte Mann
es tat. Der Bub war aber auch einer, den man gern haben mußte.
Die Zwei lebten trotz mancher Entbehrung glücklich und hätten mit
einem König nicht getauscht.
* Ein Unglück im Dienste machte den Mann unfähig, seinem Be¬
rufe weiter nachzukommen. Er war das Opfer treuerfüllter Pflicht
geworden, hatte dafür einige spärliche Worte der Anerkennung und
das Schreiben erhalten, das ihn in dauernden Ruhestand versetzte.
Als Krüppel nahm er vom Wärterhäuschen Abschied, einem andern
den Platz freizumachen. Eine bescheidene Wohnung, gerade groß
genug für beide, wurde sein Heim. In diesem versah er im Verein
mit Felix die Hausarbeit, -kochte, wusch und -tat alles Nötige, um
nicht für eine Magd auch noch Ausgaben machen zu müssen.
Da- sie in der Nähe des Bahnhofes wohnten, gelang es dem
Knaben, sich dort öfter nützlich zu zeigen. Das trug nicht selten eine
Kleinigkeit ein, ein paar Kreuzer, die Felix freudig dem Vater hin¬
legte mit den Worten: „Vater, für dich !" Nicht eher ruhte das Kind,
bis der Mann das Geld zu sich genommen, um es dann heimlich in