Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1930 (1930)

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Nachricht davon erhalten habe. Das erkläre sich daraus, daß er sel¬ 
bigen Abends unter den Bauern im Revier Scheichlmühl im Schrep - 
fen zu tun gehabt und dort übernachtet habe. 
lm Gerichtsclienerhciuse tn Untersuchungshaft. 
Nun aber zurück zur unglücklichen Eva. Wie sie schnurstracks 
sich selbst dem Gerichte stellte, ist oben erzählt worden. Als sie da¬ 
mals gen Sikking kam, sah sie sogar ihren Mann auf dem Felde 
ackern, so nahe, daß sie ihn hätt' wohl Verschreien können. Aber sie 
dachte sich: „Mein lieber Wolferl, ich wollt dirs wohl sagen, was 
ich getan, allein ich mach dir ja doch nur ein schweres Herz, du grämst 
dich ab und helfen tut's doch nichts." So habe sie ihren Weg grad 
nach Puchheim fortgesetzt. 
Hier saß sie im Gerichtsdienerhaus in Untersuchungshaft. Eine 
genaue protokollierte Einvernahme des Gerichtsdieners Franz 
Straffer (vom 12. Februar 1762) läßt uns, wie durch ein Fenster, 
da hinein schauen. Der Diener, der zu genauer Beobachtung seiner 
Leute verpflichtet war, erzählt unter anderem: Eva redet nicht viel. 
Die meiste Zeit spinnt sie am eigenen Gspunst, das ihr von Sikking 
zugetragen wurde. Wenn er mit dem Essen 'hineinkam, oder ihr 
Mann oder Bekannte ihr was zum Essen bringen, höre er halt 
immer aus ihren Reden das heraus: Es habe sie alleweil geziemt, in 
Sikking könne sie unmöglich bleiben. So habe sie das Kind umbrin¬ 
gen müssen. Das Kind erbarme ihr nicht, obwohl es sie wieder reue, 
um ihr sei ihr auch nicht leid, nur um ihren Mann, den sie in diese 
Schande gebracht habe. Kleinmut oder Wahnsinn nehme man nie 
wahr an ihr. Sie rede und esse wie irgendein anderer. Lustig sei 
sie nie, aber auch nicht traurig. Durchgehends zeige sie sich als ver¬ 
nünftiges, gescheites Wesen und ihre Verwandten bezeugen das 
gleiche. Hätte man Geistesverwirrung an ihr bemerkt, man hätte sie 
nie heiraten lassen, hieß es. Das freilich wiederhole Eva oft: „Lieber 
will 'sie sterben, als wieder nach Sikking gehen, sie wolle nach ihrer 
Tat gerne ihr Leben lassen. 
Der Prozeß. 
Unterdessen war übrigens der Prozeß schon eingeleitet worden. 
Das „erste gütige Examen", d. h. die erste Gerichtsverhandlung fand 
am 26. Jänner 1762 statt. Sie beantwortete die 85 vorgelegten Fra¬ 
gen mit voller Ruhe und Aufrichtigkeit. Durch ihre freie Aussage 
kam dabei erst ihr Selbstmord- und Kindsmord versuch (Dornet) 
zur Kenntnis der Richter. Wenn sie von ihrem unglücklichen Vater, 
von Piesing, von ihrem Manne, ihrem Sikkinger Kummer sprach, 
kamen ihr die Tränen: manchmal stieß sie das Schluchzen derart, daß 
sie im Antworten aussetzen mußte. Bis zur Gemütskrankheit gestei¬ 
gerter Lebensüberdruß, das war die einzige auffindbare Ursache 
ihrer Verbrechen. Sie bat um das eine, mit ihr ein baldiges Ende zu 
machen, sei es zum Leben oder 'Sterben. Sie bat, ihr die Eisen ab¬ 
zusperren, ö. h. ihr die Fesseln abzunehmen, daß sie im Dienerhaus 
frei umhergehen könne. Man verordnete, auf ihre jetzige Harmlosig-
	        
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