Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1930 (1930)

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Langsam, kühl und neblig schlich der November 1761 über Sik- 
king herauf. Am 16. November, Leopoldi, mar Kirchtag in Gmun¬ 
den. Die Eva ging nicht hin, sondern nach Schwanenstadt. Am Platz 
traf sie ihren Bruder, den Kemptner von Piesing. Sogleich begann 
sie (Leute bezeugten das) zu meinen vor Heimweh. „Wenn ich nur 
gleich nicht auf der Welt wär'! In Sikking gibt's absolut keine 
Freud mehr für mich." „Wieso?" fragt ihr Bruder. „Seid's nicht 
gut aufeinander, du und dein Mann?" „Nein, nicht das. Ich hätte 
keinen bessern Mann kriegen können", sagte Eva. „Aber ich kann 
halt ka Freud mehr haben und ziemt mich, wenn ich nur nicht wär!" 
Darauf tröstete sie der Bauer, sie möge nur ruhig heimgehen, Häuser 
seien oft teurer als es zuerst geheißen,' sie soll fleißig beten und nicht 
verzagen! 
Scheinbar beruhigt verabschiedete sich Eva. Aber nur scheinbar! 
Der Wahn des Leüensekels ließ sein Opfer nicht mehr los. Nach 
einigem Hin- und Hergehen in der Stadt entschloß sich die Unglück¬ 
liche, Gift zu kaufen und sich damit was anzutun, nur um aus der 
Welt zu kommen! Sie trat beim Krämer Gretler und beim Klinger, 
Klampferer, ins Geschäft und fragte nach Ratzengift. Da sie unbe¬ 
kannt war, bekam sie nichts. Erst beim Kirchweger, Krämer und 
Schneidermeister in einer Person, wohnhaft Kolbgasse, gelang ihr 
Vorhaben, obwohl auch der sie nicht kannte. „Wozu und für well 
brauchst denn das Gift?" fragte Kirchweger. „Für den Fischer yt 
Deitenham!" log sie frisch heraus. „Der hat so viel Ratzen und 
Mäuse in seinem Hanse und braucht das Gift. Er will es den Ratzen 
einkochen!" „Es ist halt manchmal gefährlich mit dem Gifthergeben", 
sagte der Krämer bedeutsam und gab ihr schließlich Hidrich- (Hidrin-) 
Gift um einen Kreuzer. 
Das Gift, in Papier eingewickelt, war ein weißes, mehlartiges 
Pulver. Schon am Heimweg stupste und schleckte sie davon. Doch 
verspürte sie nichts. Am nächsten Tage stellten sich Erbrechen, Ueblich- 
keit und Unwohlsein ein. Sie getraute sich nun nichts mehr einzu¬ 
nehmen. „Könnt mir doch gar zu stark werden, daß ich ohne Beicht¬ 
vater dahinstürbe." So schüttete sie den Rest des Pulvers zwischen 
ihre Truhen hinunter. Die ganze Woche litt sie an den Folgen des 
Giftes. Täglich Unwohlsein und nach dem Essen Erbrechen. Auf Be¬ 
fragen des Mannes schützte sie irgendeine Ausrede vor,' sie wollte 
ihm das Herz nicht schwer machen, gab sie später als Grund der Un¬ 
aufrichtigkeit an. Der Mann sagte, geh hinab nach Mindern zur 
Schloßköchin, die macht allerhand gesunde Pillen, oder wohin du 
willst, daß es wieder besser wird! „Nach Mindern weiß ich nicht ein¬ 
mal den Weg", sagte sie, nahm den Kopf zwischen die Hände und sin¬ 
nierte so dahin, daß selbst den Mann der Kummer anpackte. 
Lin finsterer Geclanke. 
So wurde es Sonntag, 22. November 1761. Nachmittags wieder 
Erbrechen. Vielleicht waren ihre Herzbeklemmungen mehr schuld 
daran als das Ratzengift. Wieder riet der Mann ihr die Schlo߬ 
köchin an. „Ich geh zur Aignerin nach Attnang, vielleicht weiß die
	        
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