Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1930 (1930)

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Lleapel. 
„Sieh' Neiapiejl unid stirb !" heißt ein bekanntes Sprichwort. 
Fürwahr, mir ist ähnlich zumute. Es ist wirklich zum Sterben, 
wenn es zutrifft, baß man sich zu Tode ärgern kann. 
Selbstverständlich gibt es hier viel Schönes zu sehen, beson¬ 
ders wenn man nach Capri fährt und an der blauen See am Fuße 
des gewaltigen rauchenden Vesuvs die Stadt vor sich liege« sieht. 
Und daun Capri selbst mit der Manen Grotte, der Vesuv und 
Pompeji, altes recht schön und interessant, aber für uns längst nichts 
Neues mehr. Wir alle Haben in der Schule schon davon gehört, und 
ich behaupte, daß mancher, der mit ,allzu großen Hoffnungen hier¬ 
her kommt, ein wenig enttäuscht fein wird. 
Aber ich wollte Loch von Neapel erzählen. 
Ich bin nie ein großer Freund Italiens gewesen ««& bin hier¬ 
her auch nicht ausschließlich zum Bergnügen ,gereist, aber meine 
Erlebnisse in Neapel sind bestimmt nicht dazu angetan, meine Anti¬ 
pathie gegen die WaWaroniesser loszuwerden. 
Früh 6 Uhr kam ich mit dem Schnellzuge von Rom her an und 
wurde am Bahnhöfe von einem Rudel Hoteldiener geradezu über¬ 
fallen. Einer dieser Signori brachte mich dann in eine Albergho. 
Wie ist der Preis? Ein Zimmer mit einem Bett (Bedienung und 
Licht inbegriffen) 16 Lire. Bereits nach .fünf Minuten bereitete er 
mich schonend darauf vor, daß alles zusammen wohl aus 18 Lire 
käme, und nach weiteren fünf Minuten wären es 20 Lire. Nun aber 
wirklich komplett. Wir waren endlich im Albergho- angekommen. 
Die Patrona sah ja recht niedlich aus. So habe ich mir als Kind- die 
Hexe, aus „Hansl und Grell" vorgestellt. 
Privatlogis! -Wo ist denn Nun meine „camera"? „Aspelte, 
signore, gegen Mittag wird- ein Zimmer frei!" Ich sollte mich einst¬ 
weilen setzen, und es war kaum 7 Uhr. Das war mir zuviel. Zehn 
Minuten später hatte ich im Hotel Jolanda ein Zimmer gefunden. 
Wie in allen italienischen Städten wird auch in Neapel zurzeit 
mit Hochdruck gearbeitet. Mussolini ist der Baumeister. Kaum ein 
Straßenzug, der nicht aufgerissen wäre, kaum ein Bürgersteig, der 
nicht zugeschüttet, kaum eine Häuserfront, die nicht durch ein einge¬ 
rissenes Hans oder einen halbfertigen Neubau verunstaltet wäre. 
Dadurch! drängt sich der immerhin recht lebhafte Verkehr auf 
«einige enge Straßen zufammen, in denen ein Chaos nnd ein Lärm 
herrschen, daß man fein -eigenes Wort nicht versteht. -Auto an Auto, 
Droschke an Droschke, Baufuhrwerke, Handkarren, Fußgänger und 
dazwischen noch die Straßenbahn- mit vier Kilometer Stnndenge- 
fchwindigkeit. 
Jchl habe es zu Fuß probiert, durchzukommen. Zum Verzwei¬ 
feln! Man kennt Hier nicht die deutsche Berkehrsordnung für Fu߬ 
gänger. Alle Augenblicke rempelt man irgend jemand an oder läuft
	        
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