„Nein, nein", entschied das Kind, „gelt, du bleibst jetzt immer
mein Onkel-Väterchen." So gingen die beiden nach Hause.
Herr Rellmann war Junggeselle und den Haushalt führte ihm
Nine. Meta oder Extramädel, wie er sie nannte, hatte sich ganz in
sein Herz geschmeichelt. Sie beglückten sich gegenseitig »mit reicher
Liebe. Doch Nine sah das wunderhübsche Kind, das von Onkel-Vü-
terchen alles erreichen konnte, schief an, sie fürchtete, das Erbteil des
älteren Herrn, auf welches sie heimlich spekulierte, werde ihr durch
dieses verkürzt werden. Je wehr Rellmann sein Extramäöel ver¬
wöhnte, desto strenger und nörgelnder wurde Nine. Doch Meta fun¬
kelte sie mit ihren hellen Blauaugen spitzbübisch an und lachte.
Dieses sonnige Glück war ihr aber nicht treu. Auch hier kehrte
der Tod plötzlich ein. Onkel-Väterchen wachte an einem kalten Win¬
tertage nicht mehr auf. Herzschlag, konstatierte der Arzt.
Extramädel war untröstlich. Es schlief nicht und aß nicht, es
wollte auch sterben. Still saß es aus einem Schemel bei der Bahre
und war nicht wegzubringen. Als man den Leichnam zum Friedhof
fuhr, war es endlich eingeschlafen. Doch nicht zu ruhigem Schlum¬
mer, sondern zu einer schweren Krankheit. Tante Erna nahm sich
jetzt des Mädchens an und pflegte es gut und aufopfernd, ihrer
Pflicht gemäß, wie sie sagte. Aber sie hatte das Kind nicht lieb und
war damals froh gewesen, als Herr Rellmann erklärte, er möchte
das Mädel gerne bei sich behalten. Sie hatte ja Metas Mutter ge¬
haßt, die sie ungerechterwerse beschuldigte, die Ursache gewesen zu
sein ihres so sehr geliebten einzigen Bruders Tod. Sie hatte in
ihrem Herzen für keine andere Liebe Raum gehabt, nur ihn ver¬
göttert und war darüber ein ältliches Fräulein geworden. Ihre
einzige Sorge widmete sie verlassenen, verwahrlosten Gräbern.
Heute war Meta erst wieder zu vollem Bewußtsein gekommen,
hatte die Arme ausgebreitet und die Frage, welche sie oft in Fieber¬
träumen gequält hatte, kam über die Kinderlippen: „Wen darf ich
jetzt lieb haben, dich?"
„Ja, ja, schon gut," meinte nicht unfreundlich, aber kühl abwei¬
send Tante Erna. Bleib nur hübsch ruhig liegen, ich bringe dir Li¬
monade." Da versteckten sich die geöffneten Kinderarme unter die
Decke, ballten sich die Hände zu Fäustchen und der kleine Mund, der
zu so reinem, süßem Kuß bereit war, er schloß sich fest und herbe.
Extramädel drückte das Köpfchen in die Kissen als die Tante kam
und stellte sich schlafend. Als es wieder ganz gesund war, versuchte
sie es noch einmal auf andere Weise, sich Dantes Liebe zu gewinnen.
Lernte sehr fleißig und nahm ihr allerlei kleine Arbeiten und Be¬
sorgungen ab, doch umsonst. Das Kind wußte ja nicht, daß es um
etwas warb, was nicht da war. Erst als es wieder einmal mit einer
großen Kindersreude gesprungen kam und in hellem Jubel ver¬
suchte die Tante mit herumzuwirbeln, rief diese ganz böse aus:
„Laß diese Dummheiten, bei mir bist du kein Extramädel." Da war
es aus. Meta tat ihre Pflicht, lernte brav weiter, bat und dankte
bescheiden und still, so wie es die Tante wollte. Ihre kleinen Er¬
lebnisse aber verschloß sie fest in ihrem Herzchen und mit jedem