Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1928 (1928)

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Bewegung in Ser Sonne machen, gut essen und trinken, verschrieb 
ihr auch eine Mixtur und erklärte im übrigen, Saß nichts Bedenk¬ 
liches vorliege. Die Marialene aber wurde von Tag zu Tag hin¬ 
fälliger. 
Eines Abends spuckte sie Blut ans. Sie erschrak darüber nicht 
wenig, verbarg es aber vor ihrem Manne, damit er sich nicht äng¬ 
stige. Wer näher zusah, konnte jetzt eine eigenartige Schönheit an 
der Frau entdecken. Ihre feingeschnittenen Züge wurden fast durch¬ 
sichtig, aus den blassen Wange blühten zwei blührote Rvslein, und 
wenn sie den Mann oder die Kinder anblickte, lag in ihren Äugen 
ein wunderbarer Glanz. Es kam der Winter, und die Marialene 
schien sich etwas zu erholen. Aber nach Lichtmessen trat der Husten 
stärker aus denn je, und das Blutspucken kam öfter,' sie verheimlichte 
es immer noch. Manchmal wurde sie von einer großen Traurigkeit 
befallen, so daß sie grad ausweinen hätte mögen,' doch sie weinte nicht, 
und wenn sie ihren Mann kommen hörte, tat sie frohsinmg und zeigte 
ihm die heiterste Miene. Auch sonst wandte sie in dieser Zeit ihrem 
Manne und den Kindern so viel Zärtlichkeit und Güte zu, als ob sie 
ihre Liebe verdoppeln wollte. Lange hielt aber ihre Kraft nicht 
mehr an. 
EiNes Tages zu Anfang März erlitt sie einen schweren Blut- 
sturz. Man holte schnell den Pfarrer, der die äußerste Gefahr er¬ 
blickte und der Kranken sogleich die heiligen Sterbesakramente spen¬ 
dete. Die eilends Herbeigerufenen Aerzte gaben wenig Hoffnung, 
aber der Daviter wollte es nicht glauben, daß es mit der Marialene 
so schlimm stehe. Tag und Nacht fast ununterbrochen saß er an ihren 
Bett, schaute sie freundlich an oder sprach leise aufmunternde Worte 
zu ihr. Sie lächelte ihm heiter zu wie iMwer. Oft mußte er ihr 
eines von den beiden Kindern reichen, daß sie es liebkosen konnte. 
Und da stand wohl ab und zu eine Träne iN ihren Augen. Einmal 
war sie recht schwach. Sie warf einen ängstlichen Blick auf ihren 
Mann und flüsterte: 
„Gelt, Gottfried- du hast mir's nicht arg für übel, wenn ich 
fortgehen muß von dir und den Kindern?" 
„Um Gottes willen, wo willst denn hingehen, Marialene?" 
„Zu unserm Herrn. Ich bin doch nichts wehr aus der Welt. 
Das Sterben käm mir auch nicht schwer an, wenn nicht du und die 
Kinder mir so viel erbamen täten." 
„Marialene, ich laß dich nicht fort! Du darfst nicht sterben!" 
„Wie Gott will!" seufzte sie, und dann lächelte sie wider. 
Aber das Verhängnis ließ sich nicht mehr aushalten. Es kam 
ein neuer Blutsturz, und nach zwei Tagen schlief Marialene unter 
dem Beistand des Pfarrers sanft hinüber. Ihr letzter Blick war auf 
die Kinder und dann rührend bittend auf den Mann gerichtet. 
Den Daviter traf der Schlag so furchtbar, daß er selber krank 
wurde und zwei Tage das Bett hüten mußte. So betäubt und zer¬ 
schlagen war er selbst dazumal nicht gewesen, als die Gattin vom 
Schwurgericht verurteilt worden war.
	        
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