//Wir müssen ihr grad alleweil das Gute und Schöne vorreden,
daß sie die bitteren Sachen vergißt."
„Wär schon reicht,' aber außer dem Hause wird sie viel unebene
Reden hören müssen. Die Leute sind grob und unvernünftig."
Da sollte sich aber die Magd täuschen. In ganz Oswalden
brachte man der Marialene nur Mitleid und Wohlwollen entgegen.
Alle taten ihr schön, und sie hörte nicht ein einzigesmal ein unebenes
Wörtlein. So ans allen Seiten von Liebe umgeben war sie, daß sie
einmal zu ihrem Manne sagte, es dünke ihr grad, als ob sie sich schon
halb iin Himmel befinde.
Einiges Merkwürdige aber fiel den Oswaldern im Lause der
Zeit an der Heimgekehrten aus. Trotzdem der Daviter seiner Frau
alles Gute zukommen ließ, wurde ihr Aussehen nicht besser. Sie
blieb abgehärmt und kriegte keine rechte Farbe. Auch trug sie nie
mehr etwas Farbiges oder Glänzendes an ihrem Körper. Ihre frü¬
heren prunkenden Kleider schenkte sie zum größten Teil den Mäg¬
den, worüber besonders die Liesl entzückt war und die Marialene
über alle Sterne erhob. Sie selbst trug bloß mehr einfache, dunkle
oder ganz schwarze Kleider. Außer der Kirche sah man sie nie oder
selten in der Oefsentlichkeit. In der Kirche betrat sie nie mehr den
Familienstuhl, der ganz vorn und den Blicken der Leute ausgesetzt
war, sondern sie drückte sich immer in eine der Hintersten Bänke, wo
die armen Leute saßen.
Wenn die Männer untereinander redeten, sie wäre nicht mehr
die halbe Marialene von früher, so widersprachen dem die Armen,
indem sie erklärten, sie wäre jetzt doppelt die Marialene,' gut sei sie
früher auch gewesen, aber jetzt sei sie doppelt und dreifach gut. Für
ihre Leute daheim sorgte sie wie eine Bcutter, und besonders dem
Manne las sie jeden Wunsch aus den Augen. Obwohl sie immer
etwas kränklich war, klagte sie nie mit einer Silbe und opferte sich
nur für die andern. Eine Tages sagte der Gatte zu ihr:
„Marialene, mir kommt grad vor, als wärst du ein Edelweiß
vom Himmel, das mir der liebe Herrgott geben hat. Jetzt weiß ich
erst, was ich an dir Hab."
„Und du bist so engelsgnt mit mir", erwiderte sie, „daß ich nicht
weiß, wie ich unserm Herrn für dich danken soll. Ich bet immer, er
soll mir helfen, dich so glücklich zu machen, wie du mich."
„Wenn du grad ganz gesund wärest, Marialene! Du tust im-
lNer ein bißchen husten."
„Das hat nichts zu bedeuten!. In der... in X. hab ich ein Jahr
lang in einem feuchten Zimmer sein müssen, und da hab ich mir eine
Verschleimung, zugezogen. Jetzt löst sich's aber schon."
Es verging ein Jahr. Und just am Schntzengelsonntag fiel
beim Daviter ein Englein in die Wiege, das noch am selben Tage
auf den Namen Gottfried getauft wurde. Es war ein bildschönes
Geschöpfchen, und- die Hebamme erklärte, ihres Denkens sei zu Os¬
walden nie ein schöneres Kind in der Wiege gelegen. Natürlich hatte
die Marialene eine Unendösreude, und fast eine größere noch der
Daviter. Als das Kind erst ein paar Wochen alt war, ließ es die