Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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Da lachte der Alte so hart, so grausam und voll Hohn, daß dem 
Jüngling doch der Mut entfiel. 
„Und wer bist du, daß du es wagst, nicht weniger von mir zu 
verlangen als mein einzig Kind? Bist du ein Prinz, bist du ein 
Handelsherr?" 
„Ich bin Hans Leichtfuß, Schieß- und Stückmeister Sr. Bischöfl. 
Gnaden und kann mehr als Brot essen — und ich liebe eure Tochter 
und sie mich und . . ." 
„Kein Wort weiter! Nie bekommst du meine Tochter, es sec 
denn, daß ich zum armen Manne würde. Und das wird nie ge¬ 
schehen." ' 
Da ging Hans Leichtfuß gesenkten Hauptes hinaus- wanderte 
durch das Tor und am Ufer der Salzach entlang. Soeben war das 
Spiel des Hornwerkes von der Burg verklungen- aber Hans achtete 
nicht darauf, immer am Ufer ging er weiter. Als es finster gewor¬ 
den war, kehrte er um. Aber das Stadttor war geschlossen und so 
blieb ihm nichts weiter übrig als einen Schlupfwinkel zu suchen, 
wo er die Nacht verbringen könne. Die Worte des Sudmeisters gin¬ 
gen ihm durch den Sinn: Du bekommst meine Tochter nie, es sei 
denn, ich würde zum armen Manne. 
„Ja, wie soll ich den Reichsten der Reichen zum armen Manne 
machen? Wie? Seine Salzgrnben sind die besten im ganzen Kam- 
mergute- — aber halt, vielleicht hilft mir einer, an den die hiesigen 
Leute nur mit Furcht und Angst denken." 
Er zog aus seiner Halskrause eine seidene Schnur, und daran 
hing eine kleine goldene Kapsel. Er öffnete sie. 
Auf der einen Seite war ein kleines Bild. Die Mondstrahlen 
fielen gerade auf das Medaillon, und er blickte mit Zärtlichkeit auf 
das Bild und flüsterte: „Mutter". Und leise, leise sagte er vor sich 
hin: „Die Mutter hat einst dem Salzmännlein das Leben gerettet, 
und dafür hat der kleine mächtige Berggeist der Mutter das Zau¬ 
berwort gegeben und gesagt: Das Verslein sprich, wenn du oder eins 
deiner Kinder in Not geraten. Ich komme dann und helfe!" — Und 
war er jetzt nicht in Not? Er hielt die goldene Kapsel dicht unter 
die Augen und las bei dem matten Mondenschein das Verslein, das 
in ganz kleinen Buchstaben auf ein Pergamentstreifchen geschrieben 
war und in der anderen Hälfte des Goldmedaillons klemmte: 
„Salzmännlein, zierlich und klein, 
Sei ein Helfer mir, 
Rette mich aus meiner Pein, 
Ich verzweifle schier." 
Er las den Vers noch zwei- oder dreimal, bis er ihn aus dem 
Kopfe sagen konnte- dann sagte er ihn laut, und im selben Augenblick 
kündeten die Glocken die Mitternachtsstunde, zwölf dumpfe Schläge. 
Das Wasser der Salzach rauschte am Uferbord, und in dem alten 
Gemäuer der hohen Salzburg krächzte der Uhu. Und wie des Nacht¬ 
wächters Lied verklungen war, ertönte plötzlich dicht zu Hansens 
Füßen ein feines, dünnes Stimmchen:
	        
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