Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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Ich eilte in das Hotel, das sich kaum süvfhundert Schnitte von 
dem Hanse, in dem ich wohnte, erhob, und fand in einem Zimmer 
in der zweiten Etage wirklich einen Mann vor, ber fortwährend 
lachte und um den sich der Geschäftsführer und eine Anzahl Hotel¬ 
gäste bemühten, freilich ohne den geringsten Erfolg zu haben. Im 
Gegenteil, je mehr sie in ihn drangen, sein närrisches, durch Mark 
und Bein gehendes Lachen aufzugeben, und der Geschäftsführer 
obendrein ihn auf dem Stuhl, in dem er saß, niederzuhalten ver¬ 
suchte, desto mehr steigerte sich die Aufregung des Kranken- bei 
dem, das erkannte ich sofort, der Säuferwahnsinn plötzlich zum 
Ausbruch gekommen war,' das Gesicht war verquollen und von 
einer tiefen Röte überzogen, unheimlich groß waren die Augen aus 
ihren Höhlen getreten, im Blick lag etwas Lauerndes- Tückisches, 
kurz, das ganze Aussehen des noch dazu herkulisch gebauten Mati¬ 
nes hatte etwas Erschreckendes', das selbst mich als Arzt nicht gleich¬ 
gültig ließ. 
„Gott sei Dank, daß Sie kommen," meinte der Geschäftsführer 
zu mir. 
Ich veranlaßte vorerst, daß sich die anderen Hotelgäste ent¬ 
fernten- und obwohl ich merkte, daß sich die Erregung des Kranken 
zusehends steigerte, begann ich sofort mit meiner bewährten Be¬ 
handlung. 
Mit ruhigen Worten sprach ich auf den Kranken ein, erzählte 
ihm, daß ich soeben den Präsidenten der See-Dampfschiffahrtsgefell¬ 
schaft, in deren Diensten der Kapitän stand, getroffen habe, daß 
dieser voll des Lobes über seine Tätigkeit sei und ihm demnächst 
seinen Gehalt um ein Beträchtliches erhöhen werde. 
Es trat über meine Worte, die ich im gewöhnlichen Plauder- 
ton an ihn richtete, wirklich eine Verminderung seines Erregungs¬ 
zustandes ein, so daß sich der Geschäftsführer, der für alle Fälle 
bei mir zurückgeblieben war, entfernen konnte, ja, der Kranke 
ging sogar daran, sich's auf seinem Bette bequem zu machen. 
Er legte seine wuchtigen Arme unter de« Kopf und während 
er mit große«, stillestehenden Augen zur Zimmerdecke blickte, sah 
ich mich in dem Raum um, in dem ich mich mit dem Kapitän nun¬ 
mehr allein befand. 
Es war die typische Hotelstube, schmal und einfenstrig, die 
einzige Tür zum Hauptgange beim oberen Ende des Bettes der¬ 
gestalt, daß es mir, falls nötig, nicht möglich war, aus der Stube zu 
kommen, ohne daß mir sofort der Weg hätte verstellt werden können. 
Der Gedanke, wie in einer Falle zu seih, beunruhigte mich 
anfangs, aber ich hoffte mit Sicherheit, daß die Krankheit nicht aus¬ 
arten und der Kapitän sich bald vollends beruhigt haben werde. 
Ich beginn wieder ein Gespräch über gleichgültige Dinge und konnte 
mit Genugtuung feststellen, daß dies für den Kranken von wohl¬ 
tätiger Wirkung war, denn er hatte die Augen geschlossen und der 
Atem ging regelmäßig. Ich war vollständig überzeugt, daß er 
schlief.
	        
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