Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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Verzogen. 
„Des Glückes Sonne schien zu warm 
Vom weiten Himmelsbogen. 
So wurde halt — daß Gott erbarm — 
Der Junge ganz verzogen." 
„Die Elternliebe machte blind. 
Das sollte sich bald zeigen. 
Zum Wüteriche ward das Kind, 
Dem alles sich mußt' beugen." 
„Zu einem Raubritter sogar, 
Der sich mit kaltem Blute 
Und jeder Scham und Ehre bar 
Vergriff an fremdem Gute." 
Die Anklage. 
„Zum Himmel schrie das viele Blut, 
Das seine Hand vergossen, 
Und mächtig schwoll der Tränen Flut, 
Die von den Wangen flössen." 
„Es klagten laut in Hof und Haus 
Die seine Schläge trafen, 
Und forderten Gott selbst heraus, 
Den Schuldigen zu strafen." 
„Der Himmel flocht die Rute schon. 
Da hatt' aus gutem Grunde 
Maria noch vor Gottes Thron 
Ein Wort zur rechten Stunde." 
Die Fürbitte. 
„„Herr", sagte sie, „du bist gerecht 
Im Strafen und Belohnen. 
Dein Arm, der rächt, was bös und 
schlecht, 
Wird Schuldlose verschonen." 
„Ich höre in der Wolken Schwall 
Von ferne schon ein Brausen 
Und in der Erde Schoß, im Tal 
Ein unheimliches Sausen." 
„Drum: Kurze Zeit halt' inne noch! 
Lass' deinen Zorn versöhnen, 
Daß rechtzeitig, die Guten doch 
Sich alle retten können!" 
Die Warnung. 
„Vergeblich bat die Mutter nicht: 
Der Sohn weiß sie zu ehren. 
Verschoben ward das Strafgericht, 
Das alles sollt' verheeren." 
„Dem Priester ward im Schlafe kund: 
Er soll mit seinen Leuten 
Den Ort verlassen noch zur Stund; 
Der Herr wird sie begleiten." 
„Wie in der Wüste Israel. — 
Er folgte und sie alle, 
Sie zogen nach dem Markte schnell, 
Den dort du siehst im Tale." 
Der Schwur. 
„Der Wüterich sah nichts vom Zng 
Er saß mit Kameraden 
Beim Tisch, der mit dem vollen Krug 
Und Wild war reich beladen." 
„Doch, als er von der Flucht erfuhr, 
Da fing er an zu schreien 
Und schwor beim Teufel einen 
Schwur: 
„Das sollen sie bereuen."" 
„„Die Hunde lass' ich alle los 
Auf diese saub're Herde. 
Es war noch keine Jagd so groß, 
Wie diese auf der Erde!"" 
Das Strafgericht. 
„Doch, eh' die wilde Jagd begann, 
Da kam von allen Seiten 
Ein schreckliches Gewitter an, 
Wie in den letzten Zeiten." 
„Der Herrgott schrieb mit Flammen¬ 
schrift 
Und sprach mit Donnerworten. 
In Feuer standen Feld und Trist, 
Es krachte aller Orten." 
„Und Schleusen taten sich jäh auf 
Von oben und von unten, 
Daß in der wilden Wasser Lauf 
Das Schloß war bald verschwunden." 
Der Mondsee. 
„Dann war es still. Es schien wie eh' 
Der Mond vom Himmel nieder 
Und sah fortan in einem See 
Sein Antlitz immer wieder." 
„In diesem See, den jeder kennt, 
Auf dem wir eben fahren, 
Und den die Welt „den Mondsee" 
nennt 
Nun schon seit vielen Jahren." 
„Der See ist wie ein weites Grab. 
Siehst du die Burgruine? 
Blick in die Tiefe hier hinab, 
Dort blinkt die golö'ne Zinne!" 
Schluß. 
Ich blickte in das Wasser lang. 
Umsonst. Die Wellen gingen 
Auf weichen Pfoten ihren Gang 
Und spielten sich mit Ringen. 
Ich harrte, bis vom Ruder leis' 
Das Wasser abgeträufelt, 
Und sah doch nichts. „Ei", sprach der 
Greis, 
„Da hast du halt gezweifelt!" 
Das Wörtchen fiel mir aufs Gemüt. 
Drum sucht' ich, heimgekommen, 
Die Zither auf und sang dies Lied, 
Das nunmehr du vernommen.
	        
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