Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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Einen Augenblick starrte ihn das Weiblein an, dann schrie es 
laut: 
„Franz! Franz! Mein lieber Franz!" 
„Mutterte!" 
Das Weiblein sank zurück und hauchte ganz leise: 
„O, ist das eine heilige Nacht! — Mein Bub selber hat mir 
das Christkind gebracht — und das Christkind meinen Bub — ver- 
gelt's Gott!" 
Die unerwartete, plötzliche Freude hatte die letzten Kräfte des 
Mütterleins erschöpft, es griff in die Züge und begann zu sterben. 
Der Geistliche riß die Türe auf und hieß die Leute hereinkommen. 
Dann geleitete er sein Mütterlein mit warmem Zuspruch und den 
kirchlichen Segnungen hinüber zur ewigen Weihnachtsfreude. 
Als das Platzen-Stinl geschieden war, erzählte der Geistliche 
unter Tränen, daß er jetzt seinem eigenen Mütterlein die Seele 
ausgesegnet habe. — Alle weinten vor Rührung!, die Bäuerin aber 
sagte: 
„O, ist d a s Weiblein schön gestorben! Ich möcht' ihm fast nei- 
big sein . . . Uns hat es das Christkind gebracht und ist selber mit 
dem Christkind hinübergefahren." 
Die ganze Nacht blieb der Priester betend bei der Leiche. Als 
er in der Frühe fortgehen mußte, lag auf seinem Antlitz neben der 
stillen Trauer auch ein heiterer Frieden. Im Jaufenbergerhause 
hinterließ er sein totes Mütterchen, aber auch einen warmen, seligen 
Weihnachtsfrieden. 
» 
Nachschrift. Die in unserem Kalender enthaltenen Erzählungen von 
Reimmichl stammen aus dem reichen Schatz gediegener Unterhaltungslck- 
türe, den der bekannte Volksschriftsteller Reimmichl (Seb. Rieger) dem 
deutschen Lesepublikum geschenkt. Frische Lebendigkeit, volkstümliche 
Schlichtheit und urwüchsiger, köstlicher Humor zeichnen die Bücher Reim- 
michls aus, die in über 700.660 Exemplaren in der ganzen Welt verbreitet 
sind. Angesehene Kritiker haben den Dichter neben Fritz Reuter, Joh. 
Peter Hebel und Rosegger gestellt: sie haben ihm damit kein unverdientes 
Lob gespendet. Jeder, der Reimmichl kennen lernt, gewinnt ihn lieb und 
greift immer wieder nach seinen Büchern und ist begierig auf jede neue 
Gabe. Und der Reimmichl ist unerschöpflich im Erfinden. Ueber 300 „lustige 
und leidige Geschichten" finden wir in seinen Sammelbändchen: „Alpen¬ 
glühen", „Aus den Tiroler Bergen", „Im Tirol drin", „Stille und laute 
Wasser", „Weihnacht in Tirol", in seinen Kalendern sowie in den nächstens 
erscheinenden lustigen Büchern „Der Fexpeter", „Der Kreuzkaspar", „Der 
Nant" und „Die Geschichte eines bösen Buben". Daneben hat Reimmichl 
zwölf größere Erzählungen und Romane geschrieben und alljährlich folgen 
neue nach. Alle diese Bücher sind verlegt und in gediegenster Ausstattung 
hergestellt in der Verlagsanstalt Tyrolia AG., Innsbruck —Wien — Mün¬ 
chen und zu billigen Preisen in jeder Buchhandlung zu haben. 
SM
	        
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