Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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„O Hochwürdiger, ihr werdet mir wohl unser'« Herrn brin¬ 
gen?" keuchte das Stint mit heiserer Stimme. 
„Freilich, unser'« Herrn", sagte freundlich der Priester,' „ich 
werde hier in der Stube die heilige Messe lesen,' hab' alles Nötige 
bei mir im Mantel-nur ein Kelchglas tät' ich brauchen. — Dort 
unter die Krippe tut ihr einen Tisch schieben und ein weißes Tuch 
darausbreiten — ein Kruzifix und zwei Kerzen werdet ihr wohl auch 
haben." 
„Da kriegen wir ja eine wirkliche Christnacht und Festgottes¬ 
dienst", rief der Mitterknecht entzückt. 
„Und gar da in unserer eigenen Stube — o die Freud'!" ju¬ 
belte das Nannele. 
„Ich hab's ja alleweil gesagt, das Christkind muß kommen! Ich 
hab' soviel gebetet darum", hauchte das kranke Weiblein. 
Auf einen Wink des Geistlichen verließen die Hausleute das 
Zimmer, und der Priester hörte die Beichte des kranken Mütter¬ 
leins. — Es dauerte nicht lange.-- Das Stinl dankte in einem 
fort: 
„Vergelt's Gott- vergelt's Gott! — Weil ich g'rad' unser'n 
Herrn haben kann! — Jetzt kommt's wohl, das Christkind! Jetzt 
kommt's wohl- o bin ich froh!" 
Nannele hatte mit den Mägden vor der Weihnachtskrippe einen 
hübschen Altar hergerichtet: Eine Menge Kerzen auf niederen Leuch¬ 
tern brannten am Tisch und um die Krippe, Sträuße aus künstlichen 
Blumen und Flitter waren aufgesteckt, ein rotseiöenes Tuch ging 
über die Mitte, an den Blumenstöcken lehnten bunte Heiligenbilder. 
— Der Priester zog aus seinem Mantel die heiligen Kleider, legte 
dieselben an und richtete alles übrige, was zur heiligen Handlung 
nötig war. Dann begann er das heilige Opfer, wobei ihm ein Knecht 
ministrierte. In weihevoller Stille und tiefster Rührung, in gott¬ 
inniger Freude knieten die Hausleute um den Altar herum. So oft 
sie auf den opfernden Priester, auf den schimmernden Altar und 
dann wieder in ihre niedliche Weihnachtskrippe schauten, kamen sie 
sich gerade vor wie die Hirten in Bethlehem, welche im armseligen 
Stall in -er ersten heiligen Nacht vor ihrem Heiland knieten,' sie 
glaubten fast, der Himmel sei über ihrem Hause offen, und sie könn¬ 
ten die Engellieder hören. — Bei der heiligen Wandlung mußten 
alle zusammen vor Rührung weinen. Nun war er ja herabgestiegen, 
der höchste Gott des Himmels und der Erde, in die arme, niedere 
Bauernstube — in ihre eigene Stube!-Nach der Wandlung 
stießen sich die Knechte und Mägde leise mit dem Ellenbogen und 
flüsterten etwas miteinander. Dann begannen sie plötzlich zu singen: 
„In dem Krippllein will dich grüßen, 
O berzliebstes Jesukind! — 
Und laß' ich viel Seufzer schießen, 
Weil ich dich im Stall da find'. 
Jesulein, Christkindlein, 
Hier Hast mein Herz und leg' dich drein 
Statt dem harten Krippelein!"
	        
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