Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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Vom andern Ende des Saales her wurde nach dem mir eben 
freundlich zunickenden Arzt gerufen. „Geschwind, Herr Doktor! 
Er verblutet!" schrie man durcheinander. Ein schrecklicher Auf¬ 
tritt ließ alles bisher Vorgefallene vergessen. 
Der alte Hard hatte sich, des Weidmessers bemächtigt und sich 
in selbstmörderischer Absicht mehrere tiefe Stiche beigebracht. Der 
Arzt ließ ihn in das Spital tragen, wohin auch ich zurück mußte. 
Kaum hatte ich mich etwas ausgeruht, als man mich zu dem 
Verwundeten holte. Bei demselben waren bereits anwesend — 
seine Frau, sein Sohn Christel und seine Tochter Julie, ein Ge¬ 
richtsbeamter mit Schreiber und meine Mutter,' der Herr Kaplan 
stand dicht neben dem Haupte Harös. Man setzte mich in einen 
Lehnstuhl. Dann begann der reiche Ziegeleibesitzer ein Bekennt¬ 
nis abzulegen, das eine allgemeine tiefe Erschütterung bewirkte. 
Dasselbe lautete ungefähr wie folgt: 
„Die Anwesenheit meiner Kinder habe ich verlangt, damit 
sie sich veröemütigen vor denjenigen, die ich vernichtete, und daß 
sie bei meinem Sterben seisn für den Fall ich unter der Proto¬ 
kollaufnahme verscheide. — Gleich nach meiner Verheiratung stellte 
ich einen verehelichten Werkführer namens Johannes Mahle ein, 
welcher mir ein treuer und überaus tüchtiger Diener war. Der¬ 
selbe ersparte sich denn auch im Lause der Zeit ein kleines Sümm¬ 
chen Geld: zudem befaß er bereits ein' ansehnliches väterliches 
Vermögen. Er kam sodann auf den Gedanken, sich eine eigene 
Ziegelei zu erwerben. In der Nähe von mir befand sich eine aus¬ 
giebige Lehmgrube samt geeigneten Gebäulichkeiten, welche Mahle 
sich kaufte. Das verdroß mich so sehr, daß ich einen Plan schmie¬ 
dete, meinen neuen Konkurrenten zu vernichten. Johannes hatte 
eine Vorliebe zum Schnaps, die er jedoch sorgfältig niederdrückte. 
Doch wir gelang es, ihn von da an öfters mit dem starken Getränk 
zu regalieren. 
Einmal hängte ich ihm einen tüchtigen Dusel an und kaufte 
ihm in demselben sein Anwesen um einen Spottpreis ab. Den 
andern Tag gab er mir einen namhaften Reukauf, um seiner 
Frau den gemachten Streich nicht gestehen zu müssen. Ich aber 
ruhte nicht: in kurzer Zeit wurde Mahles Ziegelei auf die ange¬ 
fangene Weise ganz mein Eigentum und Mahle ein armer Mann. 
Nachdem dies geschehen, entließ ich ihn auf das Drängen meiner 
Frau, welche denselben deshalb tödlich haßte, weil er in einem 
Anfall von Bitterkeit unsern Sohn Christel, der ihn geneckt, durch¬ 
geprügelt hatte. 
Nun war Mahle ein Bettler: er mußte ins Armenhaus zie¬ 
hen und samt seiner Familie alle erdenklichen Entbehrungen er-
	        
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