Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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Ich war aber nicht der einzige, welcher sich da hinter dem 
von mehreren Familien bewohnten Gebäude befand. Zu mei¬ 
nem Entsetzen sah ich mich, ganz unerwartet, dem finsteren Ge¬ 
sichte meines Vaters gegenüber! 
Nicht um die Welt könnte ich' sagen, was bei diesem An¬ 
blick mich durchzuckte. Nur stotternd und gurgelnd brachte ich die 
unheilvollen Worte heraus: „Vater — warum-hast — du ^ 
einen — Jäger — erschos — sen und — Wild — g — —?" 
Weiter kam ich nicht. Ein Blitzstrahl mußte vom heiteren 
Winterhimmel herniedergefahren sein. Es zuckten mir einmal 
Feuerfunken in allen Farben um die Augen herum, und in mei¬ 
nem Kopfe donnerte, sauste und knatterte es, daß ich nicht mehr 
wußte, wo ich mich befand. Ich glaube aber, daß ich wie ein leb¬ 
loser Klotz auf den Schnee fiel, von da aufgehoben, in das Haus 
getragen und auf das gemeinsame Kinöerlager gelegt wurde. 
Heftige Schmerzen im Kopf, Hals und Brust sowie ein abscheu¬ 
licher Husten quälten mich so, daß ich nach einigen Stunden aus 
der Betäubung erwachte. Aber meine Mutter und die Geschwi¬ 
ster erkannte ich nicht. Ich sah vielmehr- viele fürchterliche Ge¬ 
stalten auf mich zukommen, welche mir Leides anzutun schienen. 
Jedenfalls befand ich mich im heftigsten Fieberzustand. 
Wie lange dieser Zustand angehalten, weiß ich nicht. Als ich 
aber wieder mit klaren Augen umherschaute, befand ich mich in 
der Schlafkammer der Eltern, im Bette meiner Mutter. Sie 
lächelte mich an, als sie bemerkte, daß ich sie erkenne. Gott im 
Himmel! Dieses Lächeln! — In meinem ganzen Leben hab ich's 
nicht vergessen, sck schmerzlich war es. Seltsam kam es mir vor, 
daß sie den Mund wie zum Sprechen bewegte, ich aber keinen 
Ton von ihr vernahm. 
„Mutterle!" fragte ich. „Mutterle, wo sind die Geschwi-- 
ster?" 
Sie schien auf diese Frage gewartet zu haben, denn schnell 
kamen zwei derselben, die kleine Anna und der erst zwei Jahre 
alte Paul zur Tür herein. Letzterer versuchte zu mir herauf 
zu klettern. Da es ihm nicht gelang, verzog ex das Gesicht in 
weinerliche Falten, streckte den Mund auf, aber einen Laut von 
ihm vernahm ich nicht! ' . 
„Wo sind die anderen?" fragte ich weiter. 
Da die Mutter neue Munöbewegungen machte, wurde ich 
erregt und nun stotterte ich meine Verwunderung darüber aus. 
Jetzt schlug die arme Frau verzweiflungsvoll die Hände 
zusammen. Und nun wurde auch mir etwas Schreckliches klar: 
Nicht die Stimmen der andern hatten den Klang verloren, son- 
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