Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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schwimmen, getraute ich mich nicht, weil ich von dem rückkehrenüen 
Indianer entdeckt zu werden fürchtete. Endlich, nachdem ich einige 
Stunden gelaufen, traf ich eine Furt und kam glücklich hinüber. 
Ich dankte Gott und schlug die Richtung nach dem Dorfe ein. 
Meine Kräfte begannen zu schwinden. Oft rief ich: „Mein Gott, 
hilf mir und verlaß mich nicht!" und drang immer vorwärts. 
Ungefähr gegen Mitternacht hörte ich auf einmal in der Nähe 
einen traurigen Gesang. Eisiger Schauer durchrieselte mich, ich 
stand still und lauschte. Dann schlich ich leise vorwärts. Bald sah 
ich ein trübes Licht zwischen den Bäumen schimmern. Noch einige 
Schritte und ich befand mich am Rande einer Waldlichtung. Ich 
glaubte anfänglich das Dorf erreicht zu Haben: aber ich täuschte 
mich. Nur ein einsames Wigwam war zu sehen. Es war bewohnt, 
denn aus den Ritzen schimmerte Licht. Neben dem Wigwam 
flackerte ein ersterbendes Feuer, und erlosch allmählig. Da ich 
niemand in der Nähe sah, schlich ich so geräuschlos als möglich auf 
das Wigwam zu und spähte durch eine Ritze ins Innere.- 
Eine sonderbare Szene bot sich mir dar. Das Wigwam war 
vollgepfropft von Indianern jedes Alters und Geschlechtes. Sie 
saßen, die Beine übereinander gekreuzt, am Boden. Die meisten 
rauchten und ich konnte viele kaum sehen: denn das Wigwam war 
von einer Rauchwolke angefüllt, die durch ein in der Mitte bren¬ 
nendes Feuer noch vermehrt wurde. Ein alter Mann zog beson¬ 
ders meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war eine ehrwürdige 
Gestalt mit langem, weißem Haar, das unordentlich über»Gesicht 
und Nacken herabfiel. Auf dem Schoße hatte er eine seltsame 
Trommel, der er von Zeit zu Zeit dumpfe Klänge entlockte, 
während er ein eintöniges Klagelied sang. Neben ihm faß ein 
jüngerer Indianer, ein wahrer Riese von Gestalt, der den Gesang 
mit einem klappernden Instrumente begleitete. Es war eine ge¬ 
heimnisvolle, wilde Szene, die einen tiefen Eindruck auf mich 
machte. Wie ich nachher vernahm, war es eine indianische Toten¬ 
feier. Denn die unwissenden Wilden glauben, daß nächtlicherweile 
während des Trauergesanges die Seele des Toten durch die dunk¬ 
len Wasser ins „Land der Seelen" hinübergeführt werde. 
> Schon war ich im Begriff, in das Wigwam zu gehen und die 
Versammlung um Erbarmen anzuflehen — da legte sich plötzlich 
eine rauhe Hand auf meinen Mund, man packte und schleppte 
mich zum Flusse hin. — Ich versuchte zu schreien, aber die rauhe 
Hand hielt meinen Mund fest zugepreßt: man legte mich in ein 
Kanoe und bedeckte mein Haupt mit einer schweren Decke, unter 
welcher ich sicher erstickt wäre, wenn nicht nach langer Fahrt das 
Kanoe endlich gelandet hätte.
	        
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