Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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Agnes erwachte, blickte verwundert umher und gewahrte 
ihren geliebten Mann an ihrem Lager knien. Die Freude des 
Wiedersehens mag sich der Leser selbst ausmalen. 
Der getreue Indianer hielt den Räuber in Schach, während 
das glückliche Ehepaar voraus zum Kanoe eilte. Bald kam auch 
der wackere Führer und ruderte eiligst stromabwärts. Ohne Un¬ 
fall ward am folgenden Tage Ontonagon erreicht. Umsonst bat 
Roth den Retter seiner Frau inständig, mit ihnen nach Neuyork 
zu kommen und stets bei ihnen zu bleiben. „Der rote Mann ist 
nicht für das Stadtleben geboren," erwiderte dieser. Ebenso¬ 
wenig wollte er eine Belohnung annehmen. „Sie haben auf dem 
Schiffe mir Liebe erzeigt und mich besucht in der Gefangenschaft," 
sagte er. „Der rote Mann kennt auch Dankbarkeit. Sie haben 
mir zuerst Gutes getan, bevor Sie mich kannten. Ich freue 
mich, daß ich Ihnen helfen konnte. Wozu also Belohnung? Zu¬ 
dem habe ich nichts nötig." 
Das Ehepaar war ratlos, wie es sich gebührend dankbar er¬ 
weisen könnte. Endlich erinnerte sich Roth, daß der Indianer 
oft die goldene mit einigen Edelsteinen besetzte Uhr, die er vor 
der Hochzeit gekguft hatte, mit Wohlgefallen betrachtet habe, und 
dachte, diese werde er vielleicht nicht verschmähen. Obwohl der 
Indianer allerdings große Freude über das Geschenk äußerte, 
so nahm er es doch erst an, nachdem Noth ihm versichert hatte, 
die Uhr gelte nicht als Belohnung, sondern als Andenken. 
Nun reisten die jungen Eheleute wieder nach Neuyork 
zurück. Dort waren sie mehrere Wochen lang die Auserwählten 
aller noblen Gesellschaft. Ueberall mußte Agnes ihre Geschichte 
erzählen, die wir nun auch mit ihren eigenen Worten mitteilen. 
Als ich nach dem' Sturme wieder zum Bewußtsein kam, fand 
ich mich in einem niedrigen Wigwam auf einem Lager von Fellen 
und Binsen. Neben mir saß ein häßlicher Indianer, der die Beine 
übereinander geschlagen hatte und schweigend aus einer Pfeife 
rauchte. 
Ich glaubte zu träumen, rieb die Augen und richtete mich 
auf. Es war Nacht und das trübe Licht ließ mir das armselige 
Wigwam noch elender und den häßlichen Wilden noch abscheu¬ 
licher erscheinen. Ich blickte verwundert umher. Endlich erin¬ 
nerte ich mich des Sturmes, meiner Anstrengung, mich zu retten, 
und fragte: 
„Habt Ihr mich hieher gebracht?" 
Er nickte.
	        
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