Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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und betrachteten neugierig die interessante Szene. Auch unsere 
Bekannten waren da. 
„Sieh da diesen prächtigen Burschen!" rief Agnes. Sahst du 
je ein so ausdrucksvolles Gesicht?" 
„Ich habe ihn längst ins Auge gefaßt," antwortete ihr Gatte. 
„Er ist ein Muster seines Stammes/ Aber wenn ich mich nicht 
täusche, ist er eine etwas unlenksame Natur. Es ist zu viel Wild¬ 
heit in seinem Auge, ich glaube, der würde sich nicht gut fügen 
können." — 
Dieses Urteil wurde schon tags darauf bestätigt. Der Damp¬ 
fer fuhr durch die blauen Wasser des Riesen unter den Seen. Es 
war ein herrlicher Tag.'Roth und seine Gattin standen auf dem 
Verdeck und schwelgten über die Brüstung gelehnt, im Anblick der 
schönen Landschaft. Auf einmal wurde das Ehepaar durch einen 
Tumult in der Nähe aufgeschreckt. Man hörte laute, zornige 
Stimmen. Die Gatten wandten sich um und bemerkten, wie der 
Untersteuermann dem Indianer drohend zurief: „Pack' dich, fau¬ 
les Vieh, oder ich schlage dir alle Knochen entzwei!" 
„Rühr' mich nicht an, du hast schon zu viel gesagt!" schnaubte 
der Indianer mit wutzitternder Stimme und warf einen grimmi¬ 
gen Blick auf den verwetterten Seemann. 
„Was gibt's denn da?" fragte Roth, sich den Streitenden 
nähernd, indem seine Gattin sich furchtsam an ihn schmiegte. 
„Der Kerl von Indianer da will nicht gehorchen. Ich trug 
ihm auf, das Berdeck zu scheuern, und er antwortet mir, es sei 
sauber genug. Ich will ihn schon lehren, den Schurken." 
Und wütend stürzte der Steuermann auf den Indianer los, 
zu einem Faustschlage ausholend, der denselben getötet haben 
würde, wenn er ihn getroffen hätte. Allein dieser war flinker, als 
sein Gegner. Blitzschnell hob er den neben ihm liegenden Besen 
auf, und parierte damit so geschickt, daß der wuchtige Schlag wir¬ 
kungslos auf den Stiel nieöerfauste. Mit unterdrücktem Fluche 
zog der Steuermann ein Messer aus der Tasche und wollte hitzig 
auf seinen Gegner eindringen. Da packte ihn Roth mit kräftigem 
Griffe am Arm, während Agnes unwillkürlich vor den'Jndianer 
hinsprang und schützend beide Arme ausbreitete. Im gleichen 
Augenblicke erschien der Kapitän auf dem Verdeck und befahl dem 
Steuermann, das Messer einzustecken und sich zu entfernen. 
„Macht ihr wieder eure alten Streiche?" sagte er dann zum 
Indianer. „Was gibt's denn schon wieder?" 
„Der schuftige Untersteuermann befahl mir, das Verdeck zu 
scheuern. Das ist nicht nötig. Sehen Sie nur, es ist sauber genug. 
Wozu also diese Arbeit?"
	        
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