Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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hoben whb, sobald derselbe fünftausend Einwohner zählt. Vor kurzem, 
als nur noch wenig auf diese Zahl fehlte, hat der Gemeinöerat be¬ 
schlossen, für den fünftausenösten Einwohner etwas Besonderes zu tun. 
Die Gemeinde widmet ihm ein Patengeschenk von zweihundert Gulden 
und ich, der Bürgermeister, bin im Namen des Marktes Mohrau der 
Pate. Ihr kleines Kinölein nun, das da in der Wiege liegt, ist nun 
dieser glückliche, fünftaüsenöste Einwohner von Mohrau." 
Ohne ein Wort der Erwiderung hatte die Witwe diese Rede ange¬ 
hört, jetzt sank sie, einen halb erstickten Schrei ausstoßend, in die 
Kissen zurück, so daß die Frau Bürgermeister erschrocken zum Bette 
eilte und sich über sie beugte. „Um Gottes willen, es wird euch doch 
nicht geschadet haben!" rief sie aus. „Du mußt auch so unvermittelt 
mit deiner Neuigkeit Herausplatzen!" wandte sie sich dann vorwurfsvoll 
an ihren Mann. Aber schon hatte sich die Wöchnerin wieder erholt. 
„Es ist nichts!" lächelte sie,- „die Freude hat mich nur überwältigt." 
Die Männer wünschten der Witwe Glück, dann stolperten sie einer 
nach dem andern hinaus, während die Bürgermeisterin noch zurückblieb 
und -sich angelegentlich nach den Verhältnissen der Frau erkundigte. 
„Das hat der liebe Gott gefügt," rief sie aus, als sie die Schilderung 
ihrer Notlage, welche die Witwe drückte, angehört hatte. „Jetzt freue ich 
mich erst, daß das Glück Sie getroffen hat. Der Habichtischler, welcher 
durch einen Ausschuß heimlich von den Absichten der Gemeindevertre¬ 
tung Kenntnis erhalten hat, hat schon fast durch vierzehn Tage mit der 
Taufe gewartet, in der Meinung, daß sein Kind die Ziffer fünftausend 
voll machen würde, er hat sich aber verrechnet und ist einen Tag zu früh 
gekommen. Recht geschieht ihm, er wäre ohnehin der Gnade nicht wür¬ 
dig und bedürftig gewesen. Ihnen aber, liebe Frau, vergönne ich vom 
Herzen den Glücksfall." 
Während die redselige Frau Bürgermeister noch die Zurüstungen 
zur Taufe, die am nächstfolgenden Tage stattfinden sollte, besprach, faltete 
die Wöchnerin die Hände und aus ihrem Herzen stieg ein freudiges 
Dankgebet zur himmlischen Mutter empor, welche gewiß durch ihre 
Fürsprache bei Gott diese Fügung erfleht hatte. „Tausend Dank, 
du gütige Gottesmutter, daß du mein Webet erhört hast. O, du 
hast eine gute Stellvertretung geschickt, und mein Vertrauen 
auf deine Hilfe ist nicht zu schänden geworden. Ich will dich mein 
Leben lang dafür preisen!" 
Am folgenden Tage war also die Taufe des kleinen Weltbürgers, 
der schon bei seiner Geburt ein solches Aussehen verursacht hatte. Der 
Herr Bürgermeister in schwarzem Anzug mit einem glänzenden Zylin¬ 
der auf seinem würdigen Haupte, ging voran, neben ihm seine rundliche 
Frau, die ihre dicke Gestalt in eine schwere Seiöenrobe gepreßt hatte, 
hinter ihnen folgte die „Madam'" mit dem Täufling, dessen Taufkleid 
ein Geschenk der Frau Patin mit Spitzen übersät, ein wahres Pracht¬ 
stück war. 
Die „Madam'" war jetzt die Fürsorge und Liebenswürdigkeit sel¬ 
ber gegenüber der Wöchnerin. Berechnete sie doch, daß jetzt auch für sie 
etwas herausschauen werde. Eine beträchtliche Anzahl Neugieriger 
schloß sich dem Zuge an, um Zeuge der heiligen Handlung zu sein. 
Daß es nebst dem Ehrengeschenke der Gemeinde noch ein reiches 
Angebinde für den Täufling absetzte, das braucht den freundlichen Leser 
bei dem reichen Bärenwirt nicht Wunder zu nehmen. Sein Leibsprüch- 
lein war ja: „Man hat's, man kann's!"
	        
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