Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1925 (1925)

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Wolfsgeschichte«. 
Alljährlich, besonders zur Winterszeit, tauchen in Len Da- 
geszeitungen Südosteuropas kurz- ober langatmige Berichte auf, 
wonach an genau umschriebener Stelle Reisende von Wölfen über¬ 
fallen und — laut Zeitungsbericht — bis auf die Stiefelabsätze 
verzehrt wurden. Sehr oft liest man auch, -aß eine Gendarmerie- 
patrouille von hungrigen Wölfen überfallen und bis auf die Ge¬ 
wehre, die natürlich! auch der heißhungrigste Wolf verschmäht, ver¬ 
speist wurden. 
Nun — gottlob — sieht diese Sache, aus der Nähe betrachtet, 
nicht so gruselig aus. Wir Jäger wissen es ganz genau, daß der 
gesunde Wolf, und sollte er in großen Rudeln auftreten, den Men¬ 
schen nie und nimmer annimmt. Stürzt aber der Wolf einmal 
blindlings auf Menschen und Vieh, so handelt es sich jedesmal um 
eine« von der Tollwut befallen, also! schwer kranken und seiner 
Sinne nicht mehr mächtigen Wolf. 
Ich habe in den Urwäldern Bosniens und Siebenbürgens 
mit sehr vielen alten Nimroden gejagt und habe aus ihrem 
Munde manches Wolfserlebnis zu hören bekommen, aber Nie war 
dabei von einem angriffslustigen Wolf die Rede. Auch ich bin 
wiederholt, mit und ohne Waffe Wölfen gegenübergestanden, aber 
nie konnte ich auch nur eine Spur von Angriffslust feststellen. 
So war ich viele Jahre hindurch Jagdgast beim alten Waldläufer 
Chifor, der innerhalb eines zirka 20.000 Katastraljvch umfassen¬ 
den, urwaldähnlichen Waldes in Siebenbürgen hauste, wo es noch 
vor zirka zwanzig Jahren von Wölfen sozusagen wimmelte. Ich 
pflegte den alten Chifor in seiner baufälligen Bude, gewöhnlich 
im Herbst und dann zur Weihnachtszeit zu besuchen, um mit ihm 
in den unermeßlichen Wäldern auf Gauen zu jagen. Gelegent¬ 
lich der Herbstjagden diente mir als Nachtquartier ein baufälliger 
Heustadel und regelmäßig wurde ich frühmorgens durch das Ge¬ 
heul der in einem nahen, Wildverwachfenen Graben steckenden 
Wölfe geweckt. Die langen Winternächte verbrachte ich dann in 
Chifors Behausung, aber geschlafen habe ich dort nie viel, weil 
die Wölfe Chifors mächtige und mutige Schäferhunde die ganze 
Nacht in Aktion hielten und weil ich jede halbe Stunde mit dem 
Gewehr hinausstürmte, wo ich natürlich infolge Finsternis nichts 
sehen konnte. 
Hier möchte ich ein Erlebnis anführen, das so recht geeignet 
ist, den Beweis zu erbringen, wie ungefährlich der gesunde Wolf
	        
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