Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1921 (1921)

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2. Gerste, Erbsen und Bohnen zusammengesotten, etwas Peter¬ 
silie, Schnittlauch drin, geben eine schmackhafte Kraftsuppe: zwei bis drei 
Teller voll zu Mittag sättigen den stärksten Mann und halten ihn ge¬ 
sund. Das ist die Suppe der Väter und der natürlichen alten Zeit: 
diese Suppe machte Männer wie Eisen — und Frauen, die nach dem 
zwölften Kinde noch stark und kerngesund waren wie Eichen. 
3. Alle Arten Gemüse, frisches und gedörrtes Obst, dürre Schnitz 
und Birnen, dürre Zwetschken, Feigen, Weinbeeren, bilden ein leicht 
verdauliches und gutes Fastengericht. Und erst die Kartoffeln, frisch aus 
der Pfanne! Fleisch sollte nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein, 
wie es bei den Vätern war. Nur durch solche Lebensweise wird die 
Verstopfung mit ihrem ganzen Anhang von Weh sicher und bauernd be¬ 
hoben oder verhütet. 
4. Wer es hat und vermag, findet endlich in der Milchsuppe, ge¬ 
rösteten Mehlsuppe usw. Fastensuppen von hohem Werte. 
Ich! kenne einen Mann in den Vierzigerjahren, der verstopft 
war wie eine alte Weinflasche,' keine Pille und kein Gift halfen 
mehr auf Hie Länge. Da brachte es das Geschäft mit sich, daß der 
Mann ein Vierteljahr unter den Bauern des nördlichen Frank¬ 
reichs leben mußte. Dort bekam er kein Fleisch mehr, aber Milch, 
viel Gemüse, Habermus, Dünnbier. Diese Lebensweise stellte ihn 
vollständig wieder her. 
Hätten wir die 40tägiger^ Fasten noch in der alten Strenge 
und dabei die Fasten speisen der Alten, so wären 60 Prozent aller 
Arzneien überflüssig. Die Alten hatten an gewissen Tagen das 
magro stretto; an diesen Tagen durfte überhaupt nichts von 
warmblütigen Tieren genossen werden, weder Eier noch Butter, 
noch Milch und Käse, somit ganz vegetarische Kost. Das heilte auch 
die verstopftesten Sünder. Also auch hier wieder Pfarrer Kneipps 
Grundsatz: „Zurück zur Natur!" 
Sehr schädlich ist endlich die Bielerleiesserei. Heutzutage ge¬ 
hört es zur Kultur, ja zum Anstand, zum Gebildetsein, mindestens 
siebenerlei Speisen aufzutischen,' der letzte Arbeiter klagt über 
Majestätsbeleiüigng, wenn ihm nur eine Suppe, und wäre sie noch 
so dick und stark und tief, aufgetragen wird. Und doch nähren 
zwei bis drei Tester voll Gsöd-Suppe (Gerste, Erbsen und Boh¬ 
nen) mehr als sieben Gerichte. Diese vielen Gerichte kommen 
ganz bestimmt im gleichen Magen zusammen (man mag noch so 
viel gesonderte Teller austischen und noch so oft Messer und 
Gabeln wechseln) und bewirken dort genau eine Gärung wie in 
den s. v, Saüstandens die entstehenden Säuren greifen die Wände 
des Magens und der Gedärme an, die vielen Gase aber ringen im 
ganzen Leib Herum, machen Unbehagen, verhocken oft und bilden 
so Krankheitsstoff, weshalb ein alter Dichter den Tod sagen läßt, 
der Koch liefere ihm mehr Leute als Krieg und Pest.
	        
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