Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1921 (1921)

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schworen Pfarrer und Kaipläne zu Hunderten und Tausenden den 
Papst, das Fleischverbot zu mildern, indem sie riefen: „Das Ver¬ 
bot wird nicht mehr eingehalten, kann nicht mehr eingehalten wer¬ 
den, alles will Fleisch, man steinigt uns; um Gottes willen, mil¬ 
dere das Gebot!" Und der Dispens wurde notgedrungen erteilt, 
so daß jetzt nur noch der Freitag in jeder Woche übrig geblieben 
ist; von den 40tägigen Fasten aber blieben noch die drei letzten 
Tage der Karwoche. Und wie schwer erträgt man diese! Wie viele 
halten selbst den Freitag nicht mehr! Die Gebote Gottes und der 
Kirche sind aber begründet in, der ganzen Natur. Naturgesetz 
und positives Gesetz kommen schließlich vom gleichen Gesetzgeber, 
dem Schöpfer der Natur, und jede Uebertretung rächt sich selbst. 
Wer auf dem Kopf steht, dem steigt das Blut in den Kopf, auch 
wenn er Dispens erzwungen hat; und wer sich schneidet, wird 
bluten, auch wenn er den Dispensschein in der Tasche trägt; und 
wer die nun einmal in der Menschennatur begründeten Speise- 
gebote nicht achtet, wird den Schaden in seiner Natur erfahren 
müssen. 
Aber da hör' ich von allen Seiten jammern: „Gerade die 
Fastenspeisen kann ich am wenigsten ertragen, diese beschweren 
meinen Magen, stoßen mir auf, machen mir übel, also Fleisch her, 
Fleisch!" Welche Fastenspeisen, ihr Seufzerbrüder? Nicht wahr, 
Eier, Mehlspeisen, Käse, alles triefend von Butter und Margarine 
oder sonst einem Fett. Ja, wenn Lu nach einem solchen Mahle 
Holz spaltest, den Acker umgräbst oder Heuburden einträgst, wirst 
du es verdauen könnest, wenn dein Magen nicht schon geschwächt 
ist durch die ewige Fleischkost. Bringt deine Arbeit jedoch keine 
große körperliche Anstrengung mit sich, so wirst du die genannten 
schweren Speisen eben vermeiden müssen. Soll ich dir leichte und 
erträgliche und doch nahrhafte Fastenspeisen nennen, so schlage 
ich dir mit Pfarrer Kneipp sel. vor: 
1. Habermus, die Nahrung unserer Väter. „Chunö, Chinder, essid 
Habermues, wachsiö und trüjid" ruft der alemannische Dichter Hebel. 
Moderne Dichter, Klaviere und Schulgesetze, diese Erzeugnisse einer 
überreizten Kultur, mag ich sonst nicht ausstehen, aber Hebel ist kein 
moderner Mondscheindichter, der hohle Bäume und Kellnerinnen an¬ 
singt. Herrje, Habermus, das mag i net! Warum net? Es schmeckt 
mir net. Aber schmeckt dir das Kopfweh, das Magenreitzen, das Auf¬ 
stotzen und ein früher Tod? Schmecken dir die Pillen und Medizin¬ 
fläschchen? Schmeckt dir die Dokiorrechnung? Probier's acht Tage, 
dann bist öu's gewöhnt und ziehst dein Habermus allen Hochgerichten 
und Zuckereien vor. An Habermus gewöhnte Leute sind gesund wie 
Bulgaren, bei Humor wie der Geißbub, schlafen wie Bären, aber sind 
nicht bärbeißig und stechig. Habermus-Kinöer sind rotwangig, baus- 
backig und schauen drein wie Gottes liebe Sonne im schönen Heumond.
	        
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