Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1921 (1921)

119 
Fleisch, Fleisch, Fleisch! 
(Eine Philippika gegen Sen ««mäßige» Fleischgennß.) 
Wir entnehmen die folgenden streitbaren Ausführungen 
dem zu Ende des Vorjahres in zweiter Auflage erschienenen 
Schriftchen R. Stätters ,-Gratis-Nahrung aus Wald und Feld" 
(Preis 1 Mark, 8°. 28 S. 1919, Zürich, Schweizer Druck- und Ver¬ 
lagshaus), Hessen Verfasser es wieder dem in der Schwerz in eini¬ 
gen hunderttausend Exemplaren Verbreiteten Büchlein des 
Pfarrers Künzle „Chrut und Uchrut" („Kraut und Unkraut") 
entlehnt hat. Vielleicht mag manchem diese Streitschrift bet un¬ 
serem jetzigen Fleischmangel recht unzeitgemäß erscheinen; aber 
sie wird doch ihre gute Wirkung tun und denen, die sich allzusehr 
nach den früher gewohnten Fleischtöpfen zurücksehnen, ein Trost 
in den schlechten und zugleich — eine Warnung für bessere Zeiten 
sein. — — 
❖ ❖ ❖ 
Fleisch zu Mittag, Fleisch am Abend, ein Würstel zur Jause; 
Fleisch auch wenn's noch so teuer ist; Fleisch auch wenn's der 
Fleischhauer kaum mehr auftreiben kann! Fleisch für die Kinder 
sogar! Fleisch, bis die Parlamente ratlos dastehen und nicht mehr 
wissen, woher bekommen! 
O weh, der Magen schafft nicht mehr, die Därme sind ge¬ 
schwächt, beständige Verstopfung oder entsetzlicher Durchfall ist auf 
dem Platz, man rennt zu den Aerzten, zu den Apothekern, zu 
allen Quacksalbern und Spekulanten, schluckt Pillen, Gifte, 
massiert, badet, jammert und heult, ruft aber dennoch: Fleisch 
Fletsch will ich, täglich. Fleisch! 
Geht's nobel zu und her, so gehören mindestens dreierlei 
Fleisch auf den Tisch, natürlich jedesmal auf einem anderen Teller, 
aber leider nicht in einem anderen Magen; zweierlei Fleisch ver¬ 
langt die „bürgerliche Küche". Nur einerlei Fleisch gilt schon als 
arm oder unzivilisiert. Aber der Kopf ist so eingenommen, der 
Leib so voll, der Schlaf so unruhig, die Laune so übel. Darum 
einen starken Wein her oder einen Schnaps, der zerteilt alles! 
Aber die Verstopfung will nicht weichen. Also wieder zum Dok¬ 
tor! Aber dennoch Fleisch, Fleisch, Fleisch! Fleisch unter allen 
Umständen! 
Bis vor hundert Jahren konnte die katholische Kirche noch 
zwei Abstinenztage in jeder Woche festhalten, Freitag und Sams¬
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.