Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1919 (1919)

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feldern, so daß die Festung am 22. März, 
vom Hunger bezwungen, kapitulieren 
mußte. Nach dem Freiwerden ihrer Bela— 
gerungsarmee rannten die Russen neuer— 
dings gegen den ganzen Karpathenwall 
an. Wieder nahm der Südabhang des Ge— 
birges die Verteidiger auf, aber ein Auf— 
rollen unserer Front durch Umgehung ge— 
lang den Russen nie. So verebbte Ende 
April die Wucht dieser Kämpfe, nachdem der 
Versuch, über die Karpathen in die unga— 
rische Tiefebene zu gelangen, dem Feinde 
eine halbe Million Mann gekostet hatte. 
Diese schwere Einbuße an Blut nebst 
einem empfindlichen Munitionsmangel 
sollte den Russen bald zum Verhängnis 
verden, denn nun schritten die Verbün— 
deten zu einer entscheidenden Offensive 
aus dem Raume Gorlice—Tarnow, wo 
die Front ein Knie bildete. Die beiläufig 
nach Osten gestreckte Karpathenfront war 
pon dem nordwärts verlaufenden Schenkel 
in der Flanke geschützt und konnte, wenn 
ein Einbruch im Raume Gorlice—Tar— 
now gelang, aufgerollt werden. Während 
der Bereitstellung der Durchbruchsgruppe 
unter Mackensen wurde die Aufmerksam— 
keit der Russen durch Demonstrationen an 
anderen Frontstellen abgelenkt. Am 2. Mai 
setzte nach kurzer, heftiger Artillerievor— 
bereitung die Infanterie zum Angriff an 
und durchbrach die dreifachen, hervorra— 
gend ausgebauten Stellungen der Russen. 
Das rasche Vordringen der Durchbruchs— 
gruppe teilte sich in den folgenden Tagen 
auch den nördlich anschließenden Armeen 
mit und angesichts dieser gewaltigen Be— 
wegung blieb auch der russischen Karpa— 
thenarmee, wollte sie nicht abgeschnitten 
werden, nichts anderes übrig, als eben— 
falls den Rückzug anzutreten. 
In rastloser Verfolgung erreichten un— 
sere Armeen die Sanlinie und auch östlich 
oom Uzsoker Paß wichen die Russen am 
12. Mai zurück. Am San, wo sie in Ra— 
dymno, Jaroslau, Sieniawa und Prze— 
— 
sich wieder mit Einsatz von Verstärkungen. 
Trotz wütender Gegenangriffe kamen alle 
diese festen Plätze bis 3. Juni in den Be— 
sitz der Verbündeten und da sich mittler— 
weile Boroevic und Böhm-Ermolli zwi— 
schen San und Dujestr herangeschoben, 
dinsingen die Russen nach schwerer Durch— 
bruchsschlacht bis an den Dniestr zurück— 
geworfen hatte, war nunmehr Lemberg 
auch von Süden her bedroht. In dieser 
Situation versuchten die Russen durch 
Massenangriffe gegen unsern schwachen 
Ostflügel in der Bukowina das Kriegs⸗ 
glück zu wenden, doch konnte Pflanzer in 
Ausnützung der weiteren Erfolge Linsin— 
gens alsbald selbst vorgehen und bis Mitte 
Junifast die ganze Bukowina befreien. 
Damit war an einen Erfolg der Russen 
n unserem äußersten Osten um so weni— 
ger zu denken, als ihnen' die westlichen 
Armeen der Verbündeten durch erneute 
Angriffe in der Richtung Lemberg die 
Flanke bedrohten. 
Diese Armeen durchstießen die zwischen 
San und Wereszyca gelegenen drei Ver— 
eidigungsstellungen und standen die An— 
zriffsetruppen Böhm-Ermollis am 20. Juni 
por den starken Befestigungen vom Lem— 
berg. Hier versuchten die Russen noch ein— 
nal erbitterten Widerstand zu leisten, der 
aber unter dem entscheidenden Angriff 
Böhm-Ermollis zusammenbrach. Am 22. 
og dieser General an der Spitze seiner 
Truppen in der Stadt ein. — 
Da die Sieger von Lemberg den noch 
im Duiestr kämpfenden Russen in die 
Flanke kamen, zogen sich diese zurück, Lin— 
ingen schwenkte dann in östlicher Rich— 
ung ab und gelangte an die Zlota Lipa, 
pflanzer schloß sich längs des Dujestr an. 
Die Hauptmasse unserer Offensivarmeen 
iber ging zwischen Bug und Weichsel auf 
die Linie Brest-Litowsk vor, um die russi— 
che Hauptmacht von Süden (Galizien) und 
»on Norden (Ostpreußen und Kurland) 
jer zu umfassen und gleichzeitig die Weich— 
el⸗- und Narewlinie frontal zu bewälti— 
gen. Gestützt auf ihr Festungssystem glaub— 
ten die Russen wenigstens Polen halten 
zu können, aber die überlegene Angriffs— 
trategie der Verbündeten brachte die 
16 Festungen binnen sechs Wochen zu Fall 
und entschied damit das Schicksal Polens. 
Nach dem Fall von Brest-Litowsk 
konnte in den letzten Augusttagen auch 
unser äußerster Südflügel zum Angriff 
übergehen und erreichte bis Ende 1915 die 
Linie Dnjestr —Strypa — Ikwa-Raum öst— 
ich Dubno — Putilowka — Korminbach — 
Styr. Weiter nördlich schlossen sich die 
Armeegruppen Prinz Leopold und Hin— 
denburg an. — — 
Die um die Jahreswende bis Mitte 
Jänner mit einem ungeheuren Kraftauf— 
vand geführte „Neujahrsschlacht“ gegen 
Pflanzer und Bothmer, dann die sich ziem— 
ich auf die ganze Front erstreckenden 
Kämpfe südlich und nördlich der Pripjet— 
sümpfe und die russische Märzoffensive 
konnten an dieser Frontlinie nur ganz 
geringfügige Veränderungen erzielen. Da— 
gegen fiel im Verlauf der Sommeroffen— 
ive 1916, welche die schwer bedrängten Ita— 
liener entlassten und Rumänien zum An— 
schluß an die Entente bewegen sollte, bis 
zum August der größte Teil der Buko— 
wina, Ostgalizien und Wolhynien bis zu 
einer Linie in russische Hände, die sich vom 
Tatarenpaß in nördlicher Richtung über 
Brody, westlich Luck und entlang des 
Stochod hinzog. Nach dem Eingreifen Ru—
	        
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