Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1919 (1919)

Der Krieg an der Ostfront. 
Von Hauptmann Emil Gradl. 
Als sich nach der Kriegserklärung an 
Rußland die Monarchie einer mehr als 
zreifachen Uebermacht gegenüber sah, 
konnte nur ein offensives Vorgehen das 
zu erwartende Vordringen der russischen 
Heere gegen Berlin verhindern. In die— 
sem Sinne war ein von einer starken An— 
griffsgruppe zu führender Stoß zwischen 
Weichsel und Bug beabsichtigt, während 
eine schwächere Verteidigungsgruppe 
einen russischerseits etwa geplaänten kon— 
zentrischen Angriff auf Ostgalizien abzu— 
wehren hatte. 
Obwohl die Erfolge der Stoßgruppe 
diese weit in feindliches Gebiet führten, 
konnten die Siege nicht ausgenützt wer— 
den, da die russische Hauptmacht inzwischen 
unsere Verteidigungslinie in Ostgalizien 
beiderseits überflügelt hatte und sich daher 
die 3. Armee gegen Lemberg zurückziehen 
mußte. Da bei einem allgemeinen Rück— 
zug hinter den San zu befürchten gewesen 
wäre. daß sich die russischen Massen gegen 
das Deutsche Reich wälzen und den Stoß 
im Westen hemmen könnten, wurde die 
Armee Auffenberg zur Unterstützung der 
Ostgruppe herangezogen und geriet mit 
der gegen Komarow vorrückenden russi— 
schen Hauptmasse in Kampf, in den unsere 
Ostgruppe flankierend eingreifen sollte. 
Bevor dies geschehen konnte, mußte diese 
sedoch in eine günstigere, weiter rückwärts 
gelegene Stellung gebracht und zu diesem 
Zwecke Lemberg aufgegeben werden. Daun 
griff die 2. und 3. Armee erfolgreich flan— 
kierend in die Kämpfe der Armee Auffen— 
berg ein. Inzwischen hatte aber der rechte 
Flügel des Nordheeres hinter den San 
zurückweichen müssen, so daß die Russen in 
der entstandenen Lücke einzudringen und 
den Norbflügel der großen Schlachtfront 
zu umfassen drohten. Da aber nunmehr 
die Aufgabe, Rußland zur Entfaltung aller 
seiner Kräfte gegen uns zu zwingen, er— 
reicht und Galizien bei dem ungleichen 
Kräfteverhältnis ohnehin nicht zu halten 
war, brach das Armeeoberkommando am 
1d. September die Schlacht ab und ging 
bis in die Karpathen und die Linie 
Sztropko —Gorlice —¶Tarnow zurück. 
Nun drangen die Russen siegesgewiß 
bis Marmaros-Sziget und Munkacs vor, 
wurden jedoch wieder zurückgeworfen. 
Auch der von Dimitriew auf die Nachricht 
vom neuerlichen Anmarsch der Nordarmee 
hin unternommene Versuch, Przemysl im 
Sturm zu nehmen, scheiterte unter unge— 
heuerlichen Verlustenn. 
Gleichzeitig mit Hindenburgs erstem 
Vormarsch gegen Warschau—mIwangorod 
nahmen die k. u. k. Armeen am 1. Oktober 
die Offensive wieder auf, stießen bis an 
den San, wo Przemysl entsetzt wurde, 
dann beiderseits des Stryj und über Czer— 
nowitz hinaus vor. Da drängten Mitte 
Oktober neue übermächtige Russenheere 
über die Weichsel gegen Westen, und wenn 
zuch die österreichisch- ungarischen und 
deutschen Waffen alle Angriffe siegreich 
zurückschlugen, so hätte der Feind, der mit 
*/2. Millionen Mann hier zur größten 
Offensive der Kriegsgeschichte ansetzte, doch 
nicht vernichtet werden können, weshalb 
Polen, Galizien und die Karpathenpässe 
östlich bis Uzsok geräumt wurden. 
Als sich anfangs November die russische 
„Dampfwalze“ gegen Posen und Schlesien 
n Bewegung setzte, wäre bei der unge— 
seuerlichen“ Zahlenüberlegenheit des 
Feindes ein frontaler Gegenangriff macht— 
sos gewesen. So wersammelte Hindenburg 
zen größten Teil seiner Truppen vorwärts 
Posen, um in die nördliche Flanke der 
Russen zu gelangen. Zur Abwehr dieses 
Manövers verschoben die Russen ihren 
Nordflügel gegen die Armee Mackensen, 
was unserer 4. und 1. Armee sowie der 
Heeresgruppe Woyrsch Gelegenheit gab, 
den Feind durch einen mächtigen Stoß 
hinter die Szreniawa zurückzudrängen. 
Bleichzeitig aber wurde die Gruppe Lifu— 
bicie von der südlichen Sicherungsgruppe 
der Russen zurückgedrängt und mußte da— 
her auch die 4. Armeé auf Krakau zu rück⸗ 
genommen werden. Das auf beiden Seiten 
borherrschende Bestreben nach einer Um— 
fassung des feindlichen Flügels führte zu 
der entscheidenden Schlacht bei Lima— 
nowaLapanow, durch welche die Russen 
um 50 Kilometer zurückgeworfen wurden. 
Die Frontlinie verlief jetzt von der Bzura 
zur Rawka, Pilica und Nida und weiter 
zum Dunajec und nach Wiedergewinnung 
der Paßlinie in den Karpathen (Ende 1914) 
auch über diese. 
An dieser Front tobte den ganzen Win— 
ter hindurch bis zum Frühjahr ein unge— 
heueres Ringen, das durch die Schrecken 
der Natur zu einem wahren Titanen— 
kampf wurde. Im Osten mußte Pflanzer 
im Jänner 1915 bis Jakobeny und Kirli— 
baba zurück, in den mittleren Karpathen 
stiegen die Russen die ungarischen Abhänge 
hinab und gelangten bis nahe an die Linie 
Bartfa —Huszt. Da setzten Ende Jänner 
unsere Truppen, vermischt mit deutschen 
Verbänden zum Vorstoß an, erreichten den 
Kamm des Gebirges und befreiten die Bu— 
kowina. Erst die unüberwindlichen Unbil— 
den der Witterung hemmten das weitere 
Vordringen. Nur Böhm-Ermolli kämpfte 
sich Ende Februar zwischen Cisna und 
Baligrod weiter vor, um der Besatzung 
von Przemysl die Hand zu reichen, aber 
der Versuch erstickte in Eis- und Schnee—
	        
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