Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1919 (1919)

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hielter neuerlich einen Schuß. Doch 
schon Is prang ein zweiter heran, 
reppte die Leiter wieder weiter. 
Auch dieser Wackere erhielt einen 
Schuß. Aher die Leiter war schon so 
nahe gebracht, daß sie nun auf das 
dritte Verhau geworfen werden 
konnte. Als erster sprang Feldwebel 
Prokesch auf die Leiter. Er blutete da⸗— 
mals schon aus drei, glücklicherweise 
leichten Wunden, die von Handgrana— 
lensplittern herrührten. Vom hohen 
Drahtverhau sprang er nun in die un—⸗ 
gewisse Tiefe drei Meter hoch hinab. 
Der Sprung glückte, er hatte die Fuß— 
angeln und Eisenspitzen und sonstigen 
Scheußlichkeiten der feindlichen Ver— 
beidigung glücklich vermieden. Pro— 
kesch warf schnell eine Handgranate, da 
zuckte auch schon vor ihm ein Blitz 
auf und die Splitter der feindlichen 
Grangate trafen ihn am Kopfe. Unmit— 
telbar hinter Prokesch war Zugsfüh— 
rer Benda über das dritte Verhau 
gesprungen. Fast gleichzeitig krachten 
zwei Pistolenschüsse und Benda fiel tot 
in den feindlichen Graben. Man fand 
später Benda und einen toten italie— 
nischen Offizier sich gegenüber Aug in 
Aug liegen, offenbar hatten sie sich 
gleichzeitig gegenseitig ers chossen. Un— 
mittelbar hinter Benda übersetzte ein 
Bosniakenzugsführer das Verhau. 
Auch diesen Tapferen ereilte sein 
Schicksal. Noch während des Sprun— 
ges traf ihn das feindliche Geschoß. 
Aber schneller als die feindlichen Ku⸗ 
geln waren die flinken, jungen Bur⸗ 
schen. In ununterbrochener Aufein— 
auderfolge sprangen sie in den Hexen— 
kessel. Inzwischen hatte auf der ande⸗ 
ren Gebäudeseite sich Oberleutnant 
Ertl vorgearbeitet. Als die Oesterrei— 
cher einmal im Graben eingedrungen 
waren, hatten sie gewonnenes Spiel. 
Insgesamt wurden 77 Gefangene ein⸗ 
gebracht, außerdem hatte der Feind 
ine Anzahl Toter verloren. Demge— 
Jenüber standen auf unserer Seite 
nur drei Tote und etwa zehn, fast 
durchwegs leicht Verwundete. Das 
oberösterreichische Schützenbataillon 
erhielt für diesen Ehrentag 7 große 
Silberne, 11 kleine Silberne und eine 
Anzahl Bronzene Tapferkeitsmed ail⸗ 
len Prokesch aber erhielt die Goldene 
Tapferkeitsmedaille. Von früher her 
trug er schon die anderen Medaillen, 
so daß er mit seinen 18 Jahren wohl 
der jüngste Feldwebel mit sämtlichen 
Medaillen in der österreichisch-unga— 
rischen Armee sein dürfte. 
— 
ZhbRNhMdhäÔôαAα ̊αäαäααιOσαιαOι ιX σ 
— — J 
nu 
Treulos vergessen! 
(Gedanken und Wahrheit!) 
. . . Anny, die 27jährige Mutter, 
saß beim Fenster, neben ihr ein lieber, 
blonder Lockenkopf, die fünfjährige 
Nelli, aͤhr Bild, ihr Leben! Kühl strich 
die Morgenluft durchs offene Fenster, 
mit ahrer Frische jenen Raum erfül— 
lend, in dem es vor zwei Stunden noch 
so stille war. Einsam war's im Heime 
ja geworden! 
Nelli hatte ihren „lieben Papa“, 
Anny den nicht mehr, dem sie vor 
nahezu sechs Jahren ein „ganzes Ja“ 
vor dem Altare sagte. 
So war es stille bis auf jene 
Stunden, da Frvitz, Papas Freund, zu 
ihnen kam. Wenn er da war, da kam 
etwas Leben in den Raum, den Papa 
als Reserveoffizier vor fast zwei Mo— 
naten verlassen hatte. Damals stand er 
vor der Türe, mit einem großen, dunk— 
len Blicke alles umfassend, von dem er 
scheiden mußte, was ihm lieb und teuer 
war. 
Die junge Frau, das blondge— 
lockte Kind, das liebe Heim, das früher 
soviel Freude für ihn war, das schleu—
	        
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