Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1919 (1919)

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Rechte geltend, immer ruhiger wird' 
es unter der wackeren Schar, tiefe 
kräftige Atemzüge verkünden, daß sich 
alle bereits dem Schlaf des Gerechten 
hingegeben haben. Am frühen Morgen 
blickte einer, der weniger geschlafen 
hat, zur Wagentüre hinaus und ge— 
wahrte, daß man eigentlich die ganze 
Nacht hindurch erst eine Station zu— 
rückgelegt hat; dies ist auf die Zugs— 
verschiebungen zurückzuführen, der 
Mann kann sich des Lachens nicht er— 
wehren, weckt seine Kameraden und 
teilt seine Wahrnehmungen mit, mit 
einem Hallo ist alles bei den Türen. 
send und trotz der frühen Morgen— 
stunde sieht man auch so manches liebes 
Mäderl am Bahnhof; ganz abseits 
schon beim Ausgangstore gewahrt 
man so ein liebliches Wesen, das scheu 
alle Waggons mustert, auf einmal blei— 
ben ihre Aeuglein bei einem stram— 
men Zugsführex haften; „wahrlich, er 
ist es“, wernimmt man leise von ihren 
Lippen, Freud' und Leid drängt sich 
bei unserer Schönen in ihrem kleinen 
Herzerl durcheinander. Das Mädchen 
entgeht den Blicken unserer wack'ren 
Schar nicht und auf einmal steht der 
lang Gesuchte, der auch schon längere 
Am Grabe des gefallenen Bruders. 
Grab des Landessch. Max Kehrer aus Steyrermühl am Heldenfriedhof in Ziano; auf— 
genommen von seinem Bruder Anton. 
Der Transportführer überprüft alles 
und gewahrt zu seinem Entsetzen, daß 
ein Waggon in der Abfahrtstation 
stehen geblieben ist. Dies gibt natür— 
lich Stoff zur Unterhaltung und einer 
meint in lakonischer Weise, der ist je— 
denfalls anstatt in die Karpathen nach 
Grinzing zum Heurigen gefahren. 
Man eilt zum Telephon, urgiert beim 
Vorstand den Waggon und in einer 
Stunde ist dieser bei unserem Zug— 
train, unter Lachen und Frotzeln der 
Mannschaft, angekuppelt. Die Station 
liegt an der Grenze Ungarns, es sind 
dort schon mehrere Passagiere anwe— 
Zeit Auslug gehalten hat, in Lebens— 
größe vor seiner Schönen, er greift ihr 
sachte unter den Arm und die beiden 
verschwinden auf einige Zeit den 
Blicken unserer Kameraden. Natürlich 
fragt man sich, wo die beiden hingehen, 
das geht uns aber eigentlich nichts an. 
Nun knüpft gleich am Bahnhof jeder 
in seiner Art verschiedene Freund— 
schaften an. Nach längerem Verweilen 
in der Station setzt sich der Zug in 
Bewegung, jetzt gibt es ein Tücher— 
schwenken, herzliche Abschiedsworte 
werden laut, ganz auf entlegener Stelle 
sehen wir wieder unseres Zugsführers 
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